Ecke 9 – Keine Angst, warum denn an Tsunamis glauben?

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Als ich am 21. März 2019 um die Sofaecke kam, lag da eine Zeitung “Die Welt”, Finanzen auf Seite 13 aufgeschlagen. Ah, wieder so eine Seite mit Artikeln, wo man mit fachbegriffangereichertem Geschwafel seine vermeintliche Klugheit selbstbeweihräuchert. Kennt man ja von anderen. “Plötzlich sollen Schulden gut sein” hieß da eine große Überschrift. Einer der Schulden nicht gut findet, so wie meine Vorfahren aus der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts auch schon? Der Artikel war von Holger Zschäpitz, dessen Namen ich noch nie gehört hab, aber den ich nicht unerwähnt lassen möchte.

Es geht in diesem exzellenten Beitrag darum, dass in den letzten gut zehn Jahren die drei großen Notenbanken des Westens Europäische Zentralbank, Fed in Amerika und die Bank von Japan zehn Billionen Dollar in die Märkte gepumpt haben. Das entspricht 27% der kombinierten Wirtschaftsleistung, die da “geschaffen” wurden. Nun müsste eigentlich zu viel Geld im Umlauf sein und eine Inflation auslösen, es sei denn es stünden im gleichen Maß mehr wirtschaftliche Werte gegenüber. Das war ein eisernes Gesetz, das scheinbar seit einiger Zeit nicht mehr gilt, deshalb glauben junge Leute nicht mehr daran. Junge Leute, die an Börsen tätig sind und junge Ökonomen.

Was passiert eigentlich mit dem Geld, dass da die Notenbanken drucken? Für mich stellt sich dabei noch die Frage: Wem gehört es? Eine Frage, die indirekt auch in der Serie “Haus des Geldes” aufgeworfen wurde. Hier war klar, da gehörte das Geld den sympathietragenden Kriminellen, die die Druckmaschine einfach haben drucken lassen und es dann mitnahmen. Aber wem haben sie es denn weggenommen?

Aus dem Artikel habe ich gelernt, dass der Staat, wenn er Schulden macht, um seine Ausgaben zu finanzieren, Staatsanleihen ausgibt. Wer nun sein Geld sicher anlegen will, kauft Staatsanleihen. Wie steht es hier mit den Zinsen? Obwohl Staaten wie die USA und Japan hoch verschuldet sind müssen die USA nur 2,6% Zinsen an ihre Gläubiger zahlen und Japan sogar weniger als sie an Schulden aufgenommen haben. Das ist eigentlich paradox, denn ein privates Unternehmen mit so viel Schulden gilt als Risiko und muss deshalb umso mehr Zinsen zahlen.

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Laut dem Artikel sind es nun aber gerade die Notenbanken, die das Geld einfach mal so drucken, die über den Umweg von Privatbanken die Staatsanleihen aufkaufen. Also gehören den Notenbanken jetzt die Staatsanleihen? Sie sind ja die Währungshüter und machen das alles nur, um die Währung stabil zu halten, da ja das schlimmste, was passieren kann, offenbar eine Deflation ist. Steht so nicht im Artikel, habe ich mal gehört und nie verstanden. Also, wenn ich eine Milliarde Yen einfach drucke, dem Staat gebe und dafür Schuldscheine bekomme, und dann vom Staat nur 995 Millionen Yen für die Schuldscheine zurückbekomme, habe ich doch immer noch ganz gut gewirtschaftet. Ich verdien 995 Millionen, weil ich Gutes tue, und die schreckliche Deflation vermeide? Wo ist hier der Denkfehler? Weil ich im umgekehrten Fall dasselbe tun würde? Da lachen ja die Hühner.

Fazit: Seit über zehn Jahren wird zügellos Geld in einer Menge gedruckt, dass ein mittlerer Staat, ohne einen Finger krumm zu machen, gut davon leben könnte. Es gibt aber keine nennenswerte Inflation. Die Zinsen steigen auch nicht. Die alte Theorie mit zu viel Geld und zu wenig Ware und Inflation ist doch nur Bla bla bla, wir brauchen eine schöne neue: MMT! Modern Monetary Theory. Wow, das klingt gut und modern. Und schon Douglas Adams hat festgestellt: Was schön klingt ist richtig. Es klingt doch viel besser zu sagen: “Dir wird ein schönes Mittagessen gemacht” als “Aus dir wird ein schönes Mittagessen gemacht.” So lange es nicht so weit ist kann man doch gern an den ersten Satz glauben. So ein winziger Unterschied.

Staaten, macht Schulden, soviel ihr nur könnt. Macht Umweltprojekte damit. Das ist gut für alle. Und gibt es doch mal eine Inflation, dann kann der Staat ja die Steuern erhöhen und schwuppdiwupp ist das Geld wieder weg.

Deutschlands Wirtschaftswachstum ist größer als die Zinsen, die für die Anleihen gezahlt werden müssen, so sollen die Schulden von ganz alleine verschwinden.

Ok, vielleicht ist da wirklich was dran. Wenn Deutschlands Wirtschaftskraft so wächst, könnten der erhöhten Geldmenge tatsächlich reale Warenwerte gegenüber stehen. Das steht in keinem Widerspruch zur alten Theorie.

Trotzdem stellt sich mir die Frage: Wäre das Geld in der Bevölkerung angekommen, hätte tatsächlich die Kaufkraft derart steigen müssen, dass eine Warenverknappung hätte auftreten müssen. Es sei denn, es gibt wirklich mehr Waren, oder manche sind so überteuert, dass Geld abgeschöpft wird. Vielleicht wird ja jetzt für Handys und Medien ein großer Teil der Kaufkraft weggegeben. Viel Geld scheint zum Beispiel irgendwie bei Google anzukommen. Klar macht Google mal Sachen, wofür sie mal paar Milliarden Strafe zahlen müssen, aber irgendwie fühle ich mich von ihnen keinesfalls geschädigt, im Gegenteil, ich nehme gern ein paar ihrer Dienste in Anspruch. Kreativität darf belohnt werden. Also, wahrscheinlich habe ich ja einen Denkfehler, aber was machen die Notenbanken denn nun mit dem Geld, dass sie bekommen, wenn die Staaten brav ihre Schulden zurückbezahlen? Wenn sie etwas ausgeben, dann doch auch wieder nur als Kredite, die sie zurückbekommen. Logisch wäre für mich, dass das Geld irgendwo gestapelt und dem Wirtschaftskreislauf vorenthalten wird. So tritt wieder eine Verknappung ein und man kann neues drucken.

Bei einem Tsunami geht auch das Wasser vorher immer weiter zurück. Die Eingeborenen wussten das.

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