Sofi Tukker und ihre neue Single „Fantasy“

SofiTukker (c) Ekaterina Belinskaya
SofiTukker (c) Ekaterina Belinskaya

Ich durfte einst auf dem Kosmonaut Festival in Rabenstein Sofi Tukker live hören. Eine Band mit so vielen Ideen und Können zu sehen ist schon was Besonderes. Ganz abgesehen von dem Sympathiebonus den sie bekamen, als Sofi mit unserer achtjährigen Tochter tanzte, Tukker ihr zuwinkte und wir am Ende noch einen beschrifteten Schlagstock bekamen.

Wo anders füllen sie ganze Stadien, hier waren sie auf einer kleinen, wenn auch nicht der ganz kleinen Bühne.
Irgendwie haben sie in Deutschland noch nicht den Durchbruch geschafft, wobei es in keinster Weise an Qualität mangelt.

Wenn ich meine inzwischen neunjährige Tochter in die Schule fahre, schafft sie es in der kurzen Zeit, Radio Sputnik im Auto einzuschalten. Vor einiger Zeit waren da manchmal sogar noch Twenty One Pilots und Woodkid zu hören, und es wurde von einer gewissen Uneinigkeit im Sender berichtet, als Justin Bieber ins Programm aufgenommen werden sollte. Natürlich war man sich schnell einig, dass das doch eine gute Entscheidung war. Inzwischen hat sich die Niveauverschiebung fortgesetzt und Herr Bieber gehört mittlerweile zu den „Künstlern“ mit dem höchsten Level auf diesem Sender. Stationen wie Deutschlandfunk Nova oder WDR1 live Plan B haben eine Mindestanforderung an Qualität für ihre Beiträge, bei Sputnik gibt es eine Obergrenze. Sofi Tukker zum Beispiel liegt viel zu weit drüber, um gespielt zu werden.

Ein wundersames Erlebnis hatte ich einst mit Sputnik, als sie ein Kinderlied von Gestört aber GeiL spielten. Ich dachte: Oh, das war aber ein Versehen. Gleich werden sie diese Zumutung beenden und sich entschuldigen, dass es einen technischen Fehler gab. Aber nein. Dieser Fehler wurde sogar mehrfach zu Gehör gebracht.

Da ich nun dank meiner Tochter Sputnik öfter auf die Ohren bekomme, hat sich ein gewisses Muster in meinem Kopf herausgebildet: Im Hauptprogramm tagsüber läuft ein Brei von Sequenzen und immer wieder ähnlichen Stimmen die vermutlich ständig von Computern in neuer Mischung zusammengesetzt werden. Sollten für die Produktion dieser „Musikstücke“ tatsächlich noch Menschen verantwortlich sein, dann von mir als Automatisierungsingenieur ein kostenfreier Ratschlag an die Musikindustrie: Spart das Geld für diese Arbeitskräfte, Computer können es mindestens genauso gut.
Das macht so gefühlte neunzig Prozent vom Programm aus. Dazu kommen dann, ich nenne sie mal Interpreten, die manchmal, selten zwar, aber manchmal tatsächlich sogar bei meiner Wertung bei einer schwarzen Null oder gar 0,5 enden. Sie haben dann tatsächlich mal eine kreative Wendung drin, wovon bei Sofi Tukker alle paar Takte mal eine kommt. Jedenfalls sollen bestimmte namentlich genannte an den Geräuschen beteiligte Personen oder Personenvereinigungen offenbar bekannt gemacht werden und man wird dann als Zuhörer aufgefordert zu voten, immer grad das Stück was grad läuft.
Irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, dass das Voting möglicherweise beeinflusst wird, da die Stücke, die am häufigsten gespielt werden, am öftersten die Gelegenheit bekommen, Punkte zu sammeln. Die Moderatoren tragen mit ihren musikstückselektierten Aufforderungen zum Voten möglicherweise auch noch zu einer Beeinflussung bei.

Naja, nein, sicherlich täusche ich mich hier.

Nun hatte ich implizit gesagt, Sofi Tukker würde nicht auf Sputnik gespielt werden. Das stimmt so nicht ganz. Am Abend gibt es manchmal eine Sendung, da werden Exoten gespielt. Leute, die von sich glauben, dass sie mal eine Karriere machen würden, wo es aber eigentlich so bisschen an Stimme und Professionalität fehlt. Also nichts, was die Musikindustrie nicht technisch glattziehen könnte, wenn sie wöllte.
Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass Sputnik sagen will: Ach seht nur, wir kümmern uns auch um die, und jetzt hört ihr erstmal, wie gut doch im Vergleich die tolle Musik im Hauptprogramm ist.
Übrigens, wie menschenfreundlich Sputnik da ist, haben wir erleben dürfen. Sie hatten 2016 eine Band namens Woods of Birnam für die Vorauswahl für den Eurovision Songcontest oder wie das heißt auserkoren und den dann auch fleißig angepriesen. So ganz übel war’s ja auch gar nicht. Jedenfalls, als Deutschland sich dann doch für jemand anders entschieden hatten war von unseren Kandidaten kein Sterbenswörtchen mehr zu hören von seinen Freunden und Förderern.
Ähnlich erging es Ansa Sauermann, der zum New Music Award nach Berlin geschickt wurde. Sein wirklich gutes Lied war von einem Tag auf den anderen aus dem Programm verschwunden. In meiner bodenlosen Naivität hätte ich nun wieder gedacht, wenn gut dann scheißegal ob Preis oder nicht. Kann ja nicht jeder gewinnen.

Aber ich komme vom Thema ab. Ich war bei dieser abendlichen Sendung mit den Amateuren, die da auch mal dürfen. Und genau da, inmitten kleiner niedlicher Stimmchen mit etwas platten Melodien und einer etwas mageren Musikbegleitung, genau da wurde Sofi Tukker gespielt. Man man man, das tut weh.

Und nun kommen wir zu der neuen Platte. Klar ist sie besser als Bad Sheeran oder die Justins. Sie ist sehr eingängig, gediegen, anschmiegsam und geht runter wie Öl. Für mich sieht es nun so aus, als ob sich die Künstler ein wenig bücken, um nicht ständig an der oberen Niveaubegrenzung zu scheitern, die es sicherlich nicht nur bei Sputnik gibt. Man könnte es auch so ausdrücken:

Sie gehen mehr in Richtung Mainstream, um vielleicht gerade im schlagergeprägten Deutschland mal Fuß zu fassen. Ich vermisse schon ein wenig die Kreativität, die sonst ungehemmt aus ihnen heraussprudelte. Ja, nicht schlecht, aber mhm, macht Euch selber ein Bild:

… und Live:

22.06.2019 – Southside Festival
23.06.2019 – Hurricane Festival
10.07.2019 – Frankfurt, Gibson
11.07.2019 – Berlin, Huxley’s Neue Welt