Kosmonaut am Stausee Rabenstein

Kosmonaut Festival 2018

… in englisch

Eigentlich wollte ich da nicht hin. Ok, Sofi Tukker sollten spielen, ziemlich unvorstellbar. Kraftklub vielleicht noch interessant. Aber der Rest. Naja. Dabei sollte es tatsächlich noch einen überraschenden Höhepunkt geben!

Wir inklusive unserer 8-Jährigen Tochter kamen also an die Bühne, wo VSK spielen sollte. In unserer Familie gibt es eine Person, die sich sehr für Rap interessiert. Ich bin es nicht und ich meine auch nicht unsere Tochter. Vorher kam da aber noch ein DJ mit einer Sängerin auf der ziemlich kleinen Bühne. Wie hieß die? Mavi Phoenix? Nie gehört. Oder doch? Überraschenderweise ein sehr starker Auftritt. Bestimmt schafft sie es bald in Plan B und auf DLF Nova, die letzten hörbaren Sender in D. Wobei Plan B nur ein Loop von WDR 1 ist, der wöchentlich wechselt. Und die Stimme kam einem dann doch bekannt vor. Verdammt, kennt man die etwa? Sie sprach dann ein astreines Österreichisch und sagte, sie käme aus Linz. Sehr erstaunlich bei dem guten gesungenen Englisch. Mavi war tatsächlich höchst hörenswert! Dann erzählte sie irgendwann, dass sie ein großer Fan von Janet Jackson wäre, und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die ist längst auf Plan B und DLF Nova, ihr Hit Janet Jackson wird da oft gespielt! Und dann ist sie hier auf dieser Hinterbänklerbühne???

Unsere lokalen Medien haben es offensichtlich wieder mal erfolgreich verhindert, dass wirklich gute Musik populär gemacht wird. Da steht Mavi in einer Reihe mit Sofi Tukker, den Yeah Yeah Yeahs, Everything Everything, Awolnation, Alt-J … um nur einige davon zu nennen.

VSK spielte dann auch, irgendwie interessant, schließlich Leute von KIZ dabei, wie mir erklärt wurde.

Wo war denn nun die Bühne, wo Sofi Tukker spielen sollte? Aha, da baut sich grad jemand auf. Ho99o9? Nie gehört. Der Typ da, in einem langen blauen Gewand völlig eingehüllt, nur paar Haare schauten raus, sah aber schon ziemlich ungewöhnlich aus. Frau oder Mann? Was soll das werden? Es gab noch einen Schlagzeuger, der sah spektakulär unspektakulär aus. Und dann kam da noch einer in Polizeiuniform. Es waren Stimmen mit merkwürdigen Halleffekten zu hören, schnelle Rhythmen, der Bandname bedeutete Horror, wie man sehen konnte. Ich würde sagen, eine Art Rap-Punk, ziemlich abgedreht, interessant anzusehen, aber nichts zum Anhören zu Hause. Trotzdem, nicht schlecht.

Wir gingen dann zur Hauptbühne. Da war Trettmann zu hören, ganz ok. Irgendein Olli Schulz, keine Ahnung, wer das war und was der da zu suchen hatte und darstellen wollte.

Dann ein Camora, auch ein Rapper den ich vorher nicht kannte und der mich auch nicht interessiert hat. Es war ziemlich voll da, man konnte die Darbiedenden nur aus der Ferne sehen.

Dann nochmal zur kleineren Bühne, da spielte Kat Frankie. Nicht schlecht, aber auch nicht so aufregend. Immerhin war da jetzt richtig voll!

Dann nochmal die Füße ins Wasser. Naja, ich nicht. Trotzdem ganz praktisch, dass man da auch gleich baden kann. Hat sich Kraftklub, die ja das Ganze irgendwie ins Leben gerufen haben, fein ausgedacht. Der Name Kosmonaut ist ja auch ganz lustig. Und da war da auch passend eine Zeichnung von einer TU 144. Halt, die Triebwerke waren ja unter den Flügeln, also war es eine Concorde. Aber die ist ja letztendlich auch Geschichte.

15min vor Beginn des Sofi Tukker- Konzerts waren wir an der Bühne. Da waren vielleicht grad mal 30 Leute. Man konnte ganz vorn beobachten, wie ein junger Mann die Technik in Betrieb nahm. Pünktlich kamen dann tatsächlich ein Mann, der als Tukker vorgestellt wurde, und Sofi auf die Bühne. Nicht nur Sofis Lächeln machte die beiden unglaublich sympathisch. In der Mitte der Bühne hingen im Kreis anscheinend Bilder mit Symbolen. Wie sich rausstellte erklangen bestimmte Tonsequenzen, wenn Tukker mit seinen Schlagstöcken dran schlug. Außerdem hatte er ein winziges Kästchen, wo offenbar alle möglichen Klänge und Klangfolgen gespeichert waren. Trotzdem standen noch eine Gitarre und ein Bass bereit. Ich glaube mit den Stöcken konnte er auf irgendwas auch Melodien spielen.

Sofi Tukker zum Kosmonaut 2018.
Sofi Tukker zum Kosmonaut 2018.

 

Sofi Tukker zum Kosmonaut 2018.
Sofi

Sofi Tukker zum Kosmonaut 2018.
Tukker

Sie spielten los und schnell war Stimmung in der Menge. Der Platz hatte sich inzwischen mit Menschen gefüllt, und wir waren ganz vorn. Einfach phänomenal der Wechselgesang mit diesen Wahnsinnsstimmen zwischen den beiden, die Rhythmen dazwischen, die Performance auf der Bühne… Sofie stand oft da und strahlte und überstrahlte alles. Sie konnte schreien, tief und hoch singen, alles perfekt. Sie spielte mit der Gitarre die fetten Töne dazwischen, das ging durch und durch. Dann kam diese unglaubliche Frau über die Absperrung geklettert, ging direkt an mir vorbei und tanzte in der Menge. Alles war wie in Trance. Als sie unsere Tochter sah, tanzte sie kurz mit ihr, dann kletterte sie wieder hoch auf die Bühne. Eigentlich ist die Musik ziemlich minimalistisch. Umso stärker sind die Effekte, die durch die Klangwechsel, Rhythmenwechsel und den gegensätzlichen Gesang der beiden erzeugt werden. Dabei sind die Lieder unglaublich vielseitig. Sofie singt dann schon mal französisch oder portugiesisch, wie ich vermute, da manche Texte von brasilianischen Dichtern sind (sicher bin ich mir da nicht). Das gibt dem ganzen nochmal eine ganz spezielle Note und einen eigenwilligen Charakter. Ich kenne keine Band, die auch nur ähnliches macht. Sofi Tukker sprüht förmlich Kreativität.

Es gab dann einige wild umherspringende Zuschauer in unserer Nähe, was die Ordnungsgruppe, die ständig vor der Bühne stand, dazu veranlasste, unsere Tochter in Sicherheit zu bringen. Ich hob sie auf deren Anweisung über die Absperrung auf eine Stufe, wo vorher Sofi drüber geklettert ist. Erst war sie etwas eingeschüchtert, doch dann fing sie auf ihrem Platz so nah bei den Künstlern wieder an zu tanzen. Sie kennt die Musik ziemlich gut aus unserer Playlist beim Autofahren. Das bemerkte Tukker, lächelte sie an und winkte ihr zu. Es wurde fast alles gespielt, was wir von ihnen kannten, leider fehlte Johny. Best Friends, was man nun schon so oft gehört hat, war einfach wieder genial und zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen. Drinkee wurde ausgebaut, das Ding hat so viel Potenzial und ist einfach genial. Aber das waren auch Awoo und F*ck they und Batshit und wie sie alle heißen. Einfach großartig. Es gibt Konzerte (viele) da hofft man einfach nur, dass sie zu Ende gehen. Dieses hier gehörte nicht dazu. Zwei Künstler, höchst sympathisch, kreativ und begabt.

Als es dann doch zu Ende war überreichte mir ein Ordnungsmann noch einen Schlagstock von Tukker. Mit Gravur. Das war der Hammer!

SofiTukker zum Kosmonaut 2018.
Souvenir! Danke dafür SofiTukker <3

Das Konzert hatte sich mit dem von Milky Chance auf der Hauptbühne überschnitten. Ja, Milky Chance mit ihrem Cocoon und allem, was auch so ähnlich klingt. Ganz nett, aber schmeißt einen nicht wirklich vom Stuhl. Dachte ich bis zu diesem Moment. Die Bühne war wegen der Massen ziemlich weit weg, man konnte Gesichter fast nicht mehr erkennen. Aber hören konnte man, und sehen, dass da einer ab und zu Mundharmonika blies. Und was die da gespielt haben hat nur entfernt an eine Radiofassung von Cocoon erinnert. Da ging die Post tatsächlich ab. Die Jungs haben den Blues, das hält man nicht für möglich. Die haben losgelegt und ein Klanggewitter abgeliefert dass es mir nur noch die Sprache verschlagen hat. Das war fantastisch! Dass diese zerrige Stimme so viel Power rüber bringen kann hätte ich nicht für möglich gehalten. Die haben sich da die Seele aus dem Leib gespielt! Und die habens im Blut. Da hat die Luft gebrannt. Das waren wirklich Leute, die nicht einfach ihr Zeug runterleiern weil es vielleicht die Plattenfirma oder sonstwer so will, die hatten Feuer und Spaß daran. Ich weiß nicht wirklich, was da den Unterschied macht zur Radiofassung, aber er ist definitiv da.

Das war der zweite völlig unerwartete Höhepunkt der Zeit unseres Daseins und wahrscheinlich vom ganzen Kosmonaut. Käpt´n Peng und die Tentakel von Delphi waren leider schon Freitag, die hätte ich auch gern gehört.

Wir haben dann noch auf Kraftklub gewartet. Ja, die lassen sich auch feiern und protzen gewaltig mit ihrer Bühnenshow. Das kommt gut rüber. Und Felix auch, der Mann hat echt Charisma. Er setzt sich für sein Karl-Marx-Stadt ein und investiert da richtig Geld, wie man so hört. Auch wenn das offenbar Herr Ministerpräsident Kretschmer nicht so toll findet…

Die donnern dann auch gleich los mit brachialer Gewalt und eingekarlmarxstädtertem Loser von Beck. Natürlich musste man für die Lichtshow warten, bis es dunkel war. Eine Mädchengruppe in Kraftklubuniform wanderte und tanzte und sang auch gelegentlich über die Bühne, das war schon eindrucksvoll. Deutscher Haudraufrockenrollrap würde ich sagen. Genau das Gegenteil von Sofi Tukker. Ja, und die Massen huldigten natürlich ihren original Karlmarxstädtern. Dann ein Kosmonaut, der Felix zum Geburtstag gratulierte, das war lustig. Dann wurde all den anwesenden Einheimischen erklärt, dass sie zum armen weil östlichen Teil Deutschlands gehören, und somit zwangsläufig arm sind, sind wir also wieder bei der Loserschiene. Felix’ Bruder gehörte allerdings nicht dazu, wie erklärt wurde. Wie jetzt, wir alle Loser und er nicht? Felix, du bist ja ein toller Typ, aber das ist Bullshit. Als dein Karl-Marx-Stadt wirklich noch so hieß da waren die meisten wirklich arm, nicht nur materiell.

Es standen übrigens sehr viele Autos mit Westnummern auf dem Parkplatz.