Ein Film über Freiheit, oder wie bilde ich mich am Besten in unserer Gesellschaft ab. Was ist überhaupt Gesellschaft und was ist Freiheit? Bedeutet Freiheit jetzt selber Denken zu dürfen und selber Entscheidungen zu treffen? Oder bedeutet Freiheit das man keine Entscheidungen treffen muss und sein Gehirn nicht mit bestimmten Dingen zu belasten braucht?
Bedeutet Freiheit Minimalismus?
Minimalismus in Entscheidungen treffen oder Minimalismus der Dinge um einen herum? Minimalismus in Informationen, Presse und Medien wäre gut oder auch nicht? Minimalismus der Dinge in Supermärkten und Werbung wäre gut? Halb gefüllte Regale wären gut und würden unser Hirn entlasten.
Freiheit?
Konzentration auf nur die lebensnotwendigen Dinge wäre gut. Freiheit und Entspannung der Gesellschaft? Befreiung der Gesellschaft von unnötigem Plunder und den viel zu vielen bunten und allzu verlockenden Glasperlen?
Was braucht der Mensch wirklich um frei zu sein?
Sicherheit und Gottvertrauen? Wobei Sicherheit so ziemlich unmöglich ist. Bleibt also Gottvertrauen. Also das, wo wohl unser Held Jochen im Film „Jochen macht Triathlon“ ganz viel davon hat.
Der Held unserer depressiven Konsumgesellschaft.
Ein Film zum „drüber reden“ von Larsen Sechert.
Wie kommt man auf die Idee solch einen Film zu drehen? Ein Film fern ab von allem Hollywood-Geschrei und -overflow. ENDLICH mal ein Film mit Witz, Tiefgründigkeit, deprifrei und unschockierend! Einfach ein Film, den man anschauen kann um Spaß zu haben und wenn man möchte kann man auch tiefgründige Philosophien darüber diskutieren. z.B. eben über Freiheit, Gesellschaft, Lebenseinstellung und -werk, über Minimalismus, Zufriedenheit und Ruhe.
Endlich mal Ruhe! Kein von früh bis abends durch die verschiedensten Medien und Einflüssen an einem Herumgeziehe und Geschupse. Nein, der Film ist eine „Pause-Taste“ der hektischen, fordernden Gesellschaft.
Full-Stop Jochen.
Jochen ist der Held des Geschehens, hervorragend dargestellt durch Daniel Weißbrodt.
Die meisten würden sagen: „Der absolute Loser!“ Ha! … und schon spielt die Playlist in meinem Kopf „L auf der Stirn“* und „Bye bye“** – aber nein, das passt nicht zu Jochen. Nö – Jochen ist zwar irgendwie, irgendwo stehengeblieben. Hatte eben einfach nicht den richtigen Trigger zum Leben, der dann endlich in seinem 47ten Jahr DDR Nostalgie in seinem Leben erschien. Also Neustart erwachend aus der Betäubung des Nichtstuns.
Es ist ja so, das viele Menschen ihr Jing und Jang suchen,
ihre innere Ruhe, Achtsamkeit ist das Zauberwort der letzten Jahre. – jedenfalls hat Jochen soviel innere Ruhe, dass der Film einen in die Ruhe mit hinein zieht. Seine innere Ruhe reicht für sämtliches Publikum in der ausverkauften „Feinkost“ in Leipzig. Ein Fullstop im Lebensstress gemischt mit dem Klamauk des „Knalltheaters“ trägt einen durch einen hervorragenden Kinoabend mit Jochen als Protagonist und Tochter Hanna, gespielt von Ronja Rath als Trigger und so viele typische Charaktere in typischen Situationen um die beiden herum.
So die Dame vom Arbeitsamt (Vicky Schätzle) mit ihrem höhenverstellbaren Tisch und der kleinen Macht, die ihr Job so mit sich bringt. Vielleicht macht den irgendwann ja mal eine KI. … und der Zuschauer fragt sich, warum sie bei dem heutigen Fachkräftemangel und der Arbeitslosenquote < 5% für ihn keinen Job hat und man fragt sich, was der wohl mal gelernt hat und als was er umschulen möchte.
Jedenfalls denkt man sich, da er ja eigentlich sehr ordentlich, fleißig und genügsam zu sein scheint und Erfahrungen als Hausmeister hat, warum sie nichts für ihn findet… und man fragt sich dann „Wann spielt der Film eigentlich?“ – zeitlos? – nö. Ich hätte geschätzt kurz nach der Wende. Es gab noch soviel DDR Gerümpel um ihn herum. Aber dann fragt man sich, wenn kurz nach der Wende, dann müsste er ja noch was gelernt haben – so DDR like. Die DDR hatte für jeden einen Einsatzbereich – die DDR hatte immer Fachkräftemangel, immer zu wenig Arbeitskräfte. Haha – Arbeitslosenquote < 5%. – Hm – spielt der Film allerdings im Jetzt und Hier, fragt man sich dauernd, wie er seinen DDR Lebensstil da so gut halten konnte.
Naja, ich habe mich dann mit mir auf „künstlerische Freiheit“ geeinigt. – keine „Deep Thought.“ … und er ist ja auch 47 und nicht 42.
Eine der gelungensten Szenen überhaupt war die des Bewerbungsgespräches zum Zeitungsaustragen. Das hat an Witzigkeit und Ernsthaftigkeit den ganzen Film übertroffen. DAS war eine absolut brillante Szene, nicht zuletzt auch durch die beiden Darsteller (für den Zeitungschef hier Markus Reichenbach ) getragen.
Ich möchte hier auch nicht vergessen den sportlichen Teil zu erwähnen, also sein, in seinem Maße überaus enthusiastisches Training für einen Triathlon am See um seine – peng in sein Leben getretene – Tochter zu beeindrucken.
Man braucht eben nur den richtigen Trigger um sich zu verändern.
Also irgendwie beschleicht einen hier der Eindruck der Film nimmt den Sportkult und die derzeit influencierende Selbstoptimierung ein bisschen auf die Schippe.
Jochens Studium in der Bibliothek mit dementsprechend kategorisierten Regalen ist auch eine der besten Szenen. Da hüpfen die Lachmuskeln wie die zirpende Grille im Gras.
Also Leudde, Ihr seht schon, der Film ist nicht depri. Der Film ist eine perfekte Gradwanderung zwischen nachdenklich und komödiantisch. Das so hinzubekommen zeigt neben dem Schauspielerischen Schauspiel der Schauspieler und Können der unterstützenden Filmcrew die absolute Brillanz des Regisseurs und Autors Larsen Sechert.
Larsen ist für mich einer der besten und talentiertesten Regisseure. Genau wie die Theaterinszenierungen „Das Gurren der fünf weißen Tauben“ im Riebeckstift in Halle und der „Macbeth“ im Theatrium ist der Film ein gelungenes Meisterwerk.
und des leckeren Essens -> gerne wieder!
Er macht solche Filme, die wir jeden Abend vergebens bei Netflix, Amazon und Co. suchen. Ganz zu schweigen von der öffentlich rechtlichen Grundversorgung. Das Ganze hier konnte nur Dank eines Crowdfunding Projektes entstehen, welches 2020 startete.
Lieber Larsen, ich hoffe sehr, dass Du die Freiheit bekommst, einen weiteren so brillanten Film zu drehen!
Liebe Schauspieler und Crew, ich hätte Euch gern bei der Premiere auf der Bühne gesehen für eine Standing Ovation!
Na wenigstens konnten wir unserer Begeisterung Luft machen und dem Hauptdarsteller mit unserer überschwänglichen Freude, bei der Zigarette danach, im „Volkshaus“ ein bisschen die Ruhe stören.
Eure Jana
* „L auf der Stirn“ von Deichkind
** „Bye bye“ von Juse Ju
