Gesamtkunstwerk

Halle am Meer, Ferienworkshop der Moritzburg zur Ausstellung "Halle am Meer" Sommer 2023 - von Elmira Beyer
Halle am Meer, Ferienworkshop der Moritzburg zur Ausstellung "Halle am Meer" Sommer 2023 - von Elmira Beyer

Ein Gesamtkunstwerk mit Wasser. – Also wiedermal ein 23. Juni, der als Einziger in einem sonnigen Sommer verregnet und kalt war. Das letzte Mal war das passiert beim TwAlstergrillen.

Das heißt, man suche sich bei Veranstaltungen mit Wasser immer einen guten Tag mit Wasser. So dass auch die Werbeaufsteller sich anpassen mussten und Wellen schlugen.

Werbeaufsteller zur Ausstellung "Halle am Meer" in Halle am 23. Juni 2023
nass ….

… und der Shanty-Chor der Seeteufel sich wie zu Hause fühlen konnte – zu Hause am Meer – ja gut, eigentlich kam die stimmungsvolle Vernissagebegleitmusik aus Halle. Macht ja nichts, Halle liegt ja auch nicht am Meer und Ahrenshoop war zwar früher das Reisemekka der DDR Badefreudigen, aber ist nun auch nicht ganz in der Nähe und viel zu teuer im Moment. Da sollte man doch lieber eine Urlaubsreise nach Peru vorziehen, ist günstiger und auch schön – UND! – die haben jetzt das beste Restaurant der Welt – na, isses nicht ein Grund?

Ein Shanty Chor als passendes Rahmenprogramm für die Ausstellung „Halle am Meer“ der Kunsthalle Talstrasse wieder in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Moritzburg.

Die Kunsthalle beschreibt diesmal also eine Verbindung nach Ahrenshoop,

passend für den Sommer ein bisschen erfrischendes Wasser neben der Saale darzustellen.

Alte Freyberg Brauerei ganz neu - Halle am Saalestrande 2023
Alte Freyberg Brauerei ganz neu – Halle am Saalestrande 2023.

Leider kenne ich zwar die DDR Ferienorte aus Erzählungen, aber da ich früher so kinder- und familienlos war, um einen der heiß begehrten FDGB Heim Ferienplätze ergattern zu können, kann ich hier nicht so recht mitreden.

Ich war also noch nie in Ahrenshoop

und habe mir hier in der Ausstellung so auch nur Meer Bilder ansehen können – so ganz ohne Bezug – und der Versuch mal so ganz spontan in diesem Sommer einen Kurztrip nach Ahrenshoop zu unternehmen hätte für die Übernachtung so 4 – 7.000 EUR* Familien Budget für eine Woche in Anspruch genommen. — Wir haben uns für London entschieden… aber Peru war in Verhandlung 😉

Es gab in Ahrenshoop auch eine Künstlerkolonie und die auch schon seit 1892 – wusste ich nicht, da niemals jemand von meinen damals-da-hin-reisen-durftenden Kollegen jemals davon erzählt hat. Naja, Künstlerkolonie ist eben auch kein Erdbeerhof. … und auch fragt man/ Frau/ d sich so, wie privilegiert mussten die DDR Künstler wohl gewesen sein, um dort am schönen Ostseestrande arbeiten zu dürfen? – hm.

Sicherlich musste man 1A-Linientreuheit nachweisen um dann den Kommunismus kunstvoll ins rechte Licht rücken zu können. – Also jetzt nicht das rechte Licht vom Ossibashing, also nicht das düsterer rechte Licht, sondern das gewollte richtige rechte Licht der Propaganda** in den Medien, dieses eben. ABER! Dummerweise muss das auch gekonnt (von können) sein. – also „unbemerkt lenken und kontrollieren“1 – dumm mit den DDR erprobten Ossis eben, so dumm aber auch…

Mit einem „Fisch namens Fred“ unter dem Anzug

und Shanties auf den Ohren zogen wir fröhlich durch die Hallen Ahrenshooper Zeiten. UND! Man beachte das Wort „fröhlich“ – ich schäme mich jetzt noch, denn DAAAAAS in diesen Klima-, Kriegs- und Inflationszeiten der Düsternis um uns herum. Also eher das „Totenschiff“ oder der „Fliegende Holländer“ als der „Drunken Sailor“ – oder so wie die „Seeräuber Jenny“: „Hoppla!“ oder so wie Freddies „100 Mann und ein Befehl“ oder noch besser Reinhard Meys „Narrenschiff“:

„Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken
Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,
Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,
Der Funker zu feig‘ um SOS zu funken.
Klabautermann führt das Narrenschiff
Volle Fahrt voraus und Kurs auf‘s Riff.“2

Naja – vielleicht bin ich ja auch nur der „blinde Passagier“8 auf dem Schiff der Narren <- NEIIIINNNN, „Alles Lüge!“8

Sehr schön sieht man in der diesmaligen Ausstellung die künstlerischen Epochen als Gesamtkunstwerk.

Draußen nass, drinnen zwar trocken, aber umringt vom Meer und Shanty Gassenhauer auf den Ohren – nee, oder?
Ich vermute mal, das der hallesche Shanty Chor das erste mal in seiner Existenz auf einer Kunstausstellung gesungen hat.

Eine witzige Idee, die eine wirklich fröhliche Stimmung verbreitete.

„Immer mehr, immer mehr, immer mehr – und der Wind weht wieder übers Meer“3 … und da bekommt man doch Lust auf mehr. Vielleicht noch ein bisschen mehr Kunstfeeling im schönen Kunstmuseum Moritzburg in Halle einsaugen? Auch sehr passend zu den Ferien, denn dann kann man auch mit dem schulpflichtigen Kind noch hinterher schön essen gehen. – Wenn ich jetzt sage „Steak essen gehen“, dann passt das zwar nicht in den allgemein propagierten veganen/ vegetarischen Trend, aber wir lieben es trotzdem … und da geht auch mal das sehr indische „Tandoori“ am Rannischen Platz, da so überaus freundlich und so lecker Steak dort –

UND! Immerhin hat der Koch in Indien eine Ausbildung zum 5-Sterne-Koch für vegetarische Küche absolviert <- na?

Das ist unser Beitrag zum Vegetarismus. UND! wir haben uns auch eine Fahrraddemo um den Rannischen Platz angeguckt – so vom gemütlichen Steakhouseplatz durch das Fenster auf den Kreisverkehr mit kreiselnden Radfahrern um diesen herum – mit Musik! Auch sehr schön.

Also, für alle Veggies unter uns ist in diesem Restaurant auch was dabei und es ist auch so schön international – also bei einem der letzten Besuche waren Inder (vermutlich) da und Asiaten und es war ein so herrliches Gefühl von Urlaubsfeeling – so ein schönes Ambiente und DAS hier in Sachsen-Anhalt, im durch die Presse einseitig gemoppten „Dunkeldeutschland“. Also wer bitteschön veröffentlicht solch einseitige Umfragen und weidet sich daran – Hallo!?!?! Wo ist jetzt die Umfrage zum Westen von Deutschland? Bayern vlt.?

Was bezweckt man denn jetzt mit solch einem Ossibashing?

Grenze neu ziehen? Ah! Dann müsst Ihr aber alle die Partei „Die Partei“ wählen. Die haben das in ihrem Konzept. 3000 Leute befragt? (Wen denn? Mich hat noch nie jemand gefragt.) 3000 Nazis, die sich in ihren Burgen in Dunkeldeutschland verschanzen und faschistische Pfeile auf ausländische Fachkräfte abschießen – echt jetzt?

Ich glaube, ich gehe doch wieder zurück in meine Blase und träume von einem erschwinglichen Urlaub in Ahrenshoop. Also nicht den von Booking.com für eine Woche für 3 Personen für 7000 EUR oder für ein 4000 EUR Schnäppchen*. Allerdings, bei den Preisen kann man auch gleich zur Titanic tauchen -> 250.000 EUR oder man kauft sich einfach ein Haus dafür, dann ist man auch beschäftigt.

„Immer mehr, immer mehr, immer mehr … und der Wind weht wieder übers Meer…“3 Naja und die Tauchfahrt zur Titanic ist ja auch was, was man nur einmal im Leben macht.

Passend hierzu auch: Stefan Plenkers „Bootsfriedhof“.

Aber es gibt auch wirklich wunderschöne friedlich aussehende Bilder zu sehen, wie das von Harry Deierling „Boote“ von 1927. Interessante Farbgebung, aber trotzdem kommt das Meerfeeling perfekt rüber. Sozusagen „die Ruhe vor dem Sturm“. Den kann man hier schon fühlen, aber noch deutlicher in den Bildern von Karl Lohse „Brandburg“ und „Bootshafen“ von 1937/38. Die haben mich irgendwie an verschiedenste Bilder von Lurçat erinnert.

Elmira Beyer aus dem sehr gut gelungenen Sommerferienworkshop des Kunstmuseum Moritzburg.
Nein, kein Lurçat. Das ist ein Bild von Elmira Beyer (13) aus dem sehr gut gelungenen Sommerferienworkshop des Kunstmuseum Moritzburg zum Thema der Ausstellung.
Sommerferienworkshop des Kunstmuseum Moritzburg, Ferien 2023.
Schiff oder Ente, das is the question! - Elmira Beyer
Schiff oder Ente, das is the Question! – Elmira Beyer

1927 scheinen die Ahrenshooper Strände noch nicht ganz so voll zu sein, wie das bei Stränden im Moment so üblich ist. Beim „Strand mit Menschen und Fahnen“ von Karl Völker ist das eindeutig zu sehen.

Im Ausstellungskatalog, der diesmal übrigens sehr gut gelungen ist, steht:

„Mit unruhigem Pinselstrich dargestellt, arbeitet Völker scheinbar mitten im Getümmel,…“4 Welches Getümmel? Wir waren letztes Jahr im Sommer in Swinemünde, DA war Getümmel. Das was hier auf dem Bild zu sehen ist, ist endloser erholsamer Freiraum. Da könnte man sofort seinen drei stöckigen, 10 Meter langen Standfestungswindschutz ausbreiten um zigarettenrauchend gemütlich zwischen all den anderen gigantischen Windfängen in der Sonne zu braten. Fahnen kann man auch aufhängen, so dass Linus, Anastassia und Laura beim Baden in der seichten See nicht die Burg der Eltern aus den Augen verlieren und heil wieder zu ihr nach Hause zurück finden.

Das Getümmel am Strand trifft dann doch sicherer Georg Grosz mit Bleistift auf Papier und den Bildern „Am Strand in Ahrenshoop“ von 1929 und „Am Strand von Prerow“ von 1931.

Im Übrigen ist auch Gerhard Marcks in der diesmaligen Ausstellung wieder vertreten.

Wieder was mit Kühen UND,

das ist wichtig, denn der hat die Kuh bei uns an der Burg Giebichenstein Brücke entworfen und auch das Pferd. Er war von 1925 und 1933 Professor an der Kunsthochschule der Burg Giebichenstein und ebenfalls sehr interessant, er hat sich vorher mit Walter Gropius, dem BAUHAUS Guru in damals Weimar gestritten und ist deswegen in Halle gelandet und nicht in Dessau UND! er brachte Marguerite Friedlaender mit an die Burg. Die, die diese wunderschönen Vasen im Bauhausstil hervorbrachte. Tja, da is die Welt nu ein BAUHAUS-Dorf und alles hängt irgendwie zusammen.

Vase Marguerite Friedlaender

Also nicht zum BAUHAUS gehört Alfred Partikel, auch, wenn er mit Gerhard Marcks befreundet war und wo der Name „Partikel“ kein Künstlername ist, eher „Nomen est omen“.

Er hat auch sehr schöne Bilder gemalt auf Ahrenshoop

mit „internationaler Öffentlichkeit“6 und ist dann 1945 dort verschwunden. Das ist sehr mysteriös und daher faszinierend. Zum Pilze sammeln gehen und dann nicht wieder kommen, ist sicherlich hier nicht das Gleiche, wie zum Zigaretten holen gehen und dann nicht wieder kommen. hm. Nein, Vermutungen nach hat das wohl mit den Nazis und der „entarteten Kunst“ zu tun, oder etwa doch mit den Russen? Heute völlig undenkbar, irgendetwas als „entartete Kunst“ zu bezeichnen. Auch nicht das „Goldene Kalb“ von Damien Hirst. Nein, zwar ekelig, aber nein. Bei 10,3 Millionen Pfund ist das Kalb dann wohl doch nicht mehr eklig. Naja, hoffentlich hat es es auch richtig konserviert mit dem Formaldehyd, nicht, dass es dann unter dem Golde modert und stinkt.

Vielleicht ist der Schädel mit den Diamanten da eine sicherere Geldanlage.

Die klaren Linien und Farben von Hans Brass sind ebenso anziehend faszinierend, wie die Verschwommenheit von Werner Gilles und was überhaupt in der Ausstellung auffällt ist die riesengroße Bandbreite von Kunstwerken über die Ahrenshooper Zeit und auch das Kleinode in der oberen Etage mit Kunstwerken der Familie Rataiczyk itself.

Unglaublich wie viele verschiedene Stile und Werke dort einst entstanden sind

und unglaublich mit welchen politischen Hintergründen die Künstler vorsichtig sein mussten. Kunst und Politik leben sehr nahe beisammen. Die Politik hat Angst vor der Kunst und die Kunst vor der Politik. Wie schnell kann man mit Propaganda künstlerische Existenzen vernichten, aber kann man auch jetzt noch der Politik mit Kunst einen einflussreichen, überhaupt von jemandem wahrgenommenen, mahnenden Spiegel vorhalten? Muss die Politik vor Kunst jetzt überhaupt noch Angst haben oder ist alles nur noch mediengesteuert beeinflussbar? Wo genau ist jetzt die kritische Kunst? Ist jetzt alles nur noch Influenzerkommerz oder ist die Kunst einfach nur in andere Dimensionen abgetaucht? Oder ist sie einfach nicht mehr auffindbar im täglich gesteuerten Social Media Gerümpel mit immer den gleichen ins Gehirn gehämmert bekommenen Themen?

Du wohnst über den Kardashians?7 Ich wohne in Ahrenshoop …. Immer mehr, immer mehr, immer mehr….

Eure Jana

Halle am Meer zur Vernissage am 23.06.2023.

*habe gerade jetzt noch mal geschaut. Nu is billiger, kurzfristig und Wetter ist ja nicht so besonders im Moment…

** nach Bernays „Die Kunst der Public Relations“ und meint: „Wenn wir (…) wissen, wovon uns wie die Massenpsyche bewegt wird – sollte es dann nicht möglich sein, sie unbemerkt nach unserem Willen zu lenken und zu kontrollieren?1

1 – Edward Bernays „Propaganda – die Kunst der Public Relations“. orange-press, Berlin; S. 49; 978-3-936086-35-5
2 – Reinhard May „Das Narrenschiff“
3 – Herwig Mitteregger „Immer mehr“
4 – Ausstellungskatalog „Halle am Meer“ 2023; Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Michael Imhof Verlag und die Auditoren; ISBN 978-3-7319-1348-1; S. 106
5 – „Lauraaaa“ aus „Knallerfrauen“ mit Martina Hill, YouTube Video
6 – Ausstellungskatalog „Halle am Meer“ 2023; Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Michael Imhof Verlag und die Auditoren; ISBN 978-3-7319-1348-1; S. 132
7 – Deichkind mit Clueso „Auch im Bentley wird geweint“
8 – beide dieser brandaktuellen Songs (1986/ 87) von Rio Reiser