Ja da sieht man es mal wieder, ich komme aus einem kleinen Dorf, hab mal Kühe gehütet und von den Künstlerinnen keinen Schimmer. Ich sehe mir die Namensliste in der Talstraße an und schäme mich. Ja da ist Käthe Kollwitz. Den Namen kennt man aus der Schule. Naturgemäß lehnte ich natürlich immer alles ab, was an Kunst an einer DDR-Schule gelehrt wurde. Vielleicht war das ja manchmal voreilig. Und Sibylle Bergemann. Aber war die nicht Schriftstellerin? Ach nein, das war ja Sibylle Berg. Kenne ich also doch nicht. Oder hat das noch einen anderen Grund, dass ich die alle nicht kenne? Man lernt, dass die Frauen sich den Zugang zu Kunsthochschulen und Akademien im 20. Jahrhundert erst erkämpfen mussten. Und wir wissen von den Medien, dass in der Regel nur Mainstream popularisiert wird, und der wurde nun mal von Männern bestimmt. Wer aus der Reihe tanzt hat keine Chance, auch wenn er/sie hundert Mal besser ist als die anderen, es sei denn Universal reicht ihr/ihm gnädig die Hand. Es ist also eine sehr gute Idee, sich mal den Frauen zu widmen, die ihre eigenen Ansichten auf die Frauen zeigen, Großes leisteten und vielleicht noch leisten und für ihre Kunst oft kämpfen mussten.
Also sich seiner Unwissenheit schämen und hinein. Es gibt erstmal einen positiven Eindruck. Leider ist man nach der Arbeit nicht mehr so aufnahmefähig. Aber was zeigen die da? Mütter mit ihren Kindern, Köpfe mit Charaktergesichtern, Nackte, bemerkenswert unerotisch, eine Dame mit einer Pinsel- Dornenkrone, fröhliche und traurige Gesichter, nachdenkliche Gesichter und auch schreckliches Elend. Und viele Sachen, die ich erstmal überhaupt nicht verstehe. Mir wird sofort klar: So sehen Frauen die Frauen, und eben nicht die Männer. Ich stellte fest, dass ich absolut nicht trainiert bin, diese Bilder zu erfassen. Mir gingen so Gedanken durch den Kopf wie: Wie kann das Eigelb so gut erhalten sein wenn ich das Ei mit den flachen Händen aufschlage. Das muss doch zermatschen. Frauen achten eben bei anderen Frauen auf ganz andere Sachen als Männer und können sich sicherlich auch in deren Psyche besser versetzen. Und das zeigen sie hier und Mann guckt blöde. Dann sind da noch Bilder, wo ich mir als Mann gar nicht trauen würde, die Frauen so darzustellen, aber Frauen können das natürlich, so wie ich mir erlauben kann, Witze über Elektriker und Programmierer zu machen. Ja, das war alles sehr schön, nur verstehe ich es eben gerade nicht.
Es gab dann aber noch diese andere sinnverwandte Ausstellung “Frauen- Schönheit- Schicht” in der oberen Etage, und die habe ich allerdings sofort verstanden. Auch wenn ich das Wort Schönheit da nicht wirklich zuordnen konnte. Beim Kühehüten bin ich zwar nicht so oft in DDR- Industriekombinate gekommen, aber ab und zu schon. Das hat dann auch gereicht, um hier starke Emotionen, allerdings nicht die angenehmen, zu entwickeln. Es war ein Gruselkabinett. Die Frauen auf den Bildern schienen allerdings mit ihrem Umfeld gut klar zu kommen. Und da muss man sie wieder bewundern. Sie kommen immer zurecht und machen das Beste draus.
Sehr positiv war der Eindruck, als wir am Ende in den Raum mit Dodo und Käthe Kollwitz kamen. Irgendwie gerieten wir in die Situation, dass das Licht aus und nur die Strahler angeschaltet waren. Die Bilder wurden perfekt angestrahlt, und übernahmen völlig die Herrschaft. Voll cool. Die von Käthe Kollwitz zum Glück nicht, die waren furchterregend, was sie auch sein sollten. Bei denen musste ich auch nicht lange hinschauen, um die zu verstehen. Eben eine große Künstlerin.
Sehe ich mir die Bilder nun im Katalog nochmal an und beschäftige mich etwas damit, wird vieles klarer. Ich beginne zu verstehen, wie sehr ich doch durch die patriarchalische Welt geprägt bin. Und das, wo doch überall Frauen über mein Leben bestimmen. Langsam beginne ich jetzt auch, begünstigt durch Wiederholung und Ausgeschlafenheit, die Bilder zu verstehen. Und tatsächlich haben viele jetzt für mich eine Aussage, und umso länger ich sie mir ansehe, desto besser gefallen sie mir. Für mich ist das ein generelles Problem. Ich jage durch eine Ausstellung, gewinne einen Eindruck, kann aber in dem Moment oft nicht den Inhalt so gut erfassen, dass er beginnt, mich wirklich zu faszinieren. Dazu bin ich zu sehr Laie. Trotzdem ist es aber ein erster Schritt, sich dieser Kunst anzunähern und einen Grundstein zu legen.
Also, meine neuen Fortschritte in der Verarbeitung der Bilder zeigen mir, dass ich vielleicht doch noch lernfähig und nicht völlig sexistisch bin. Obwohl mir Frauenwahlrecht dann doch zu weit geht. War nur ein Scherz. Ich weiß jetzt, was der Name der Ausstellung “Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen.” bedeutet und dass er perfekt gewählt ist. Die Talstraße lehrt mich immer wieder, wie viel es noch gibt, das sich lohnt zu lernen und zu erfahren. Es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Hingabe und Professionalität hier gearbeitet wird. Und erstaunlich, welche Schätze jedes Mal gezeigt werden, perfekt passend zum jeweiligen Thema. Dazu gibt es immer treffende und nicht zu anstrengende Erklärungen, die selbst ich lese und verstehe.
Ich komme wieder.
ps. …. und wenn es Euch interessiert: Von Frauen dargestellte Frauen in der Talstraße gesehen von einer Frau