ist eine Semi-Oper, zu der John Dryden den Text und Henry Purcell die Musik gemacht hat. Diese wurde im Anhaltischen Theater Dessau aufgeführt und ich hatte das Glück, ihr beiwohnen zu können.
„Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass unser englisches Gemüt nicht diesen fortwährenden Gesang verträgt […]. Unsere englischen Gentlemen sind, wenn ihre Ohren auf ihre Kosten gekommen sind, begierig, ihren Geschmack befriedigt zu sehen, und wollen Musik und Tanz eng verflochten mit Komödie und Tragödie“. Laut dem Programm zur Aufführung des Stückes hat dies der zeitgenössische Journalist Peter Anthony Motteux gesagt. Im Stück haben wir gelernt, dass diese Gentlemen auch Nachfahren der Sachsen sind, somit ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Punkt ihr Gemüt dem meinigen ähnelt. Ja ich weiss, das waren andere Sachsen, mit denen wir hier nichts zu tun haben, aber seien wir mal nicht so pingelig, so genau weiss man das doch vielleicht gar nicht. Schließlich ist es nicht nur die Menge an Gesang sondern der generelle Musikgeschmack, was mein Gemüt hier wahre Freudensprünge machen liess. Nach seelischen Bestrafungen durch Mozart und diverse italienische Komponisten (will hier niemandem zu nahe treten) gab es plötzlich Musik, die nicht nervte, wo man sich nicht sagte: „Wann ist es endlich vorbei?“, Musik die Spaß machte und richtig richtig gut war! Die Hauptakteure sprechen in der Semi-Oper, die Nebenrollen singen oder sprechen auch mal. Welch sinnvolle Konstruktion. Man versteht die Handlung und wird nicht plattgemacht durch erzwungene Sprechmelodifizierungen, die es leider auch heute noch gibt.
Zur Handlung ist zu sagen, dass der sagenumwobene britische King Arthur (Oliver Seidel), der anderswo auch mal Artus heisst, mal wieder die Angelsächsischen Eindringlinge bekämpft und dabei natürlich höchst siegreich ist. Wo kämen die Briten denn hin, wenn sie ständig nach europäischen Festlandspfeifen tanzen würden! Da muss schon mal ein Exempel statuiert werden. Und natürlich bekommt er am Ende auch Emmeline (Mirjana Miloslavljevic), die Dame seines Herzens, auf die der angelsächsische König Oswald (Andreas Hammer) ebenfalls ein Auge geworfen hat. Doch statt totalem Sieg und Niederlage versöhnt man sich am Ende und der Angelsachse wird sogar noch Graf von Kent, muss sich aber in Zukunft an die gesitteten britischen Regeln halten. Nix mehr mit Euro bezahlen und so. Alle vertragen sich nun und feiern miteinander. Doch bis es soweit ist, muss noch manches vorher passieren.
Was da passiert erinnert oft an den Sommernachtstraum von Shakespeare. Erd- und Luftgeister treiben ihr Unwesen und lassen sich durch Merlin auch mal eine Gehirnwäsche verpassen und wechseln die Seiten. Da wird gezaubert und der eine hat halt mehr Magic Power als der andere und da klappt das nicht immer alles so wie es soll. Das siegreiche britische Heer wird vom Erdgeist Grimbald (Roman Weltzien), der auf Oswalds Seite ist, ins Moor gelockt. Doch die Luftgeistin Philidel (Johanna-Julia Spitzer) arbeitet jetzt für Merlin zieht sie in Sicherheit. Aus irgendeinem Grund gab es plötzlich zwei Philidels und zwei Grimbalds (Martina Nawrath und Kostadin Argirov).
Derweil sucht die blinde Emmeline mit ihrer Dienerin Matilda (Illi Oehlmann) ihren geliebten Arthur und gerät natürlich prompt in die Fänge von Oswald und dem sächsischen Zauberer Osmond (Dirk S. Greis). Arthur fordert daraufhin Oswald zum Duell heraus, der hatte aber andere Pläne mit Emmeline und hat die Sache auf den nächsten Tag verschoben. Wer kann es ihm verdenken, dass er auch sein Glück bei ihr versuchen will. Meiner Ansicht nach hätte er sicher auch eine Sehende abbekommen, also hat er es wohl echt ehrlich gemeint. Also so übel war er dann gar nicht. Im Gegensatz zu seinem Zauberer Osmond, der hinter dem Rücken seines Chefs auch die Dame verführen wollte! Die Sachsen wieder.
Inzwischen hat Philidel ein Elixier von Merlin zu Emmeline gebracht, so dass diese jetzt sehen konnte. Nebenbei wurde gleich noch Exkumpel Grimbald am Boden fest geklebt.
Das Ganze fand zuletzt in einem Zauberwald unter Osmonds Kontrolle statt und Arthur, der mal wieder seine Emmeline suchte, brauchte schon Excalibur um dort klar zu kommen. Und wieder musste letztendlich Philidel Grimbald überwältigen, damit die Sache gut ausging.
Und dann überwältigt auch noch Oswald den bösen Sachsen Osmond, um letztendlich im Duell gegen Arthur zu verlieren. Nun verliert er zwar Emmeline endgültig, aber da er nun doch kein so übler Kerl ist und sicherlich auch gute Netzwerke hat machen die klugen Briten ihn sich zum Freund.
Nach dem Brexit könnten solche Beziehungen schließlich von Nutzen sein. Ok, 1681 hatte das Stück andere politische Hintergründe. Aus dem Programmheft ist zu erfahren: John Dryden war erst in den Stand des Nationaldichters „Poet Laureate“ erhoben worden, ist extra zum Katholizismus konvertiert um dann 1688 nach der unblutigen „Glorious Revolution“ gefeuert zu werden. Er war nun freier Schriftsteller und hat wegen Begeisterungsmangel für die neue Regierung seinen alten King Arthur umgeschrieben, wobei durch Übertreibungen und Nebeneinander von Erhabenen und Lächerlichem der Patriotismus der Helden ironisch anmutet.
Der Regisseur Mario Holetzeck hat das alles mit sehr viel Fantasie und Kreativität umgesetzt. Linda Kowsky hat dazu einzigartige Bühnenbilder entstehen lassen. Es wird schon mal vorhandene Technik, wie herablassbare Tragegerüste für Scheinwerfer, genutzt und mit ins Bühnenbild eingebaut. Einfache herumliegende Blöcke verwandeln sich zu wichtigen Gegenständen und im Fussboden entstehen ständig Löcher und Gräben. Die Luftgeister fliegen durch die Luft und geben Kommentare ab. Plötzlich überall Eislandschaft. Einfach grandios. Die Kostüme (Susanne Suhr) sind perfekt auf jede Rolle zugeschnitten. Hatte ich die hervorragende Musik schon erwähnt? Die SängerInnen, der Chor, das Orchester, unter der musikalischen Leitung von Elisa Gogou hat einfach alles gestimmt.
Und nicht zu vergessen die Choreografie (Tomasz Kajdanski) mit Kampfszenen (Alister Mazzotti). Der Tanzstil war sehr modern und ästhetisch und erinnerte teilweise irgendwie an Tanzszenen aus dem Video Holding On to You von den Twenty One Pilots. Es gab viele Szenen, wo Oberkörper und Arme sehr ausdrucksstark die Emotionen zum Ausdruck brachten. Oft wurde die Machtposition über andere dadurch dargestellt, dass diese mit teilweise unsichtbaren Seilen herangezogen wurden. Besonders eindrucksvoll dazu war der Kampf zwischen den Geistern, wobei beide an Arthurs Kämpfern zogen, der eine ins Moor hinein, der andere heraus.
Für mich die Beste Aufführung, die ich in Dessau je gesehen habe!