Macht Maschine

Litfaßsäule Halle

Eigentlich bräuchten wir mehr Maschinen, die uns das Leben erleichtern.

Also nicht die, wo uns gesagt wird, dass sie uns arbeitslos machen, also nicht diese existenzzerstörenden Monster. Aber auch nicht die energiefressenden, umweltzerstörenden Monster, die unsere Umwelt zerstören und damit ebenso unsere Existenz. Wir brauchen nur die, die unsere Digitalisierung mit all ihrer Inhalte erhalten, erhaltenden Maschinen. Also die, die unsere Smartphones, Computer, Blockchains und das weltweite Web befeuern und dafür die Teile produzieren, die benötigt werden um in diversen diversen Ländern inkludiert unsere Endgeräte und Batterien dafür zusammenschrauben.

Aber auf alle Fälle brauchen wir keine Kriegsmaschinen und auch keine Brotbackmaschinen, da es ja kein Mehl mehr gibt, wegen der Kriegsmaschinen und auch wegen der Globalisierung. Wir brauchen eindeutig mehr Kühe, damit wir mehr Rindfleisch essen können und weniger Raps für Benzin weil wir dann nicht mehr soviel in der Gegend umherfahren müssen für Produkte, die nicht aus der Region sind, aber dafür hätten wir dann mehr einheimische Kartoffeln und einheimischen Salat. Dann brauchen wir auch nicht mehr soviel Mehl, nur noch das bisschen für den Kuchen.

Allerdings kann man den ja auch aus Methylcellulose herstellen.

Das ist besser für unseren Cholesterinspiegel. Wir brauchen also somit weniger Tabletten und die Pharmaindustrie dann auch weniger Maschinen zur Herstellung dieser. Methylcellulose ist auch noch gut gehen Gluten Allergien. Dumm ist nur, dass man zur Gewinnung der Methylcellulose Bäume braucht. Da kann man aber auch einheimische nehmen, also die, die gerade von der Umwelt zerstört werden. Hm. Bäume sind ja auch wieder nachwachsende Rohstoffe und zum Heizen nicht so gewünscht wegen dem Feinstaub.

Da sind eben wieder Windräder beliebter. Wo die stehen können dann auch die pupsenden Kühe Gras ganz öko in getreidefreie Nahrungsmittel umwandeln. Naja, und solange China noch 9.528,2 Millionen Tonnen CO2 Emissionen pupst und Deutschland nur 696,1 Millionen Tonnen1, können wir ja unsere Kühe noch ein bisschen behalten, z.B. noch solange, bis die Getreidekrise vorbei ist und alle sehr umwelt- und menschenunfreundliche Kriegsmaschinerie vom Erdboden verschluckt wurde. Also ehrlich gesagt, niemand braucht die. Also zumindest die Leute, die ich kenne.

Also, wenn es dem Menschen langweilig wird und er alles hat, was er braucht und noch viel mehr, dann bleibt ihm nur noch, um ein wenig Freude am Leben zu haben und nicht in tiefen Depressionen zu landen, seine Macht auszuspielen.

„Ich habe mehr Macht als Du und deshalb mache ich Dich platt!“

Warum sollten wir friedlich nebeneinander im Sandkasten buddeln, wenn man sich doch so schön mit dem Schippchen den Kopf einhauen kann? „UND außerdem ist mein Teil vom Sandkasten ja auch viel schöner als Deiner — allerdings, wenn Dein Sandkastenteil nun doch schicker ist als meiner, dann baue ich mir eine schöne Maschine und mach ihn Dir kaputt… und beim Bau von Kriegs- und Zerstörungsmaschinen bin ich dann auch sehr krea- und innovativ.“

Für diese Zwecke steht mir dann auch immer genug Geld zur Verfügung und dadurch beeinflussen diese wunderbaren militärischen Erfindungen auch immer die Entwicklung der Menschheitsgeschichte. Nur schade, dass das Militär mit Ökostrom und Bioprodukten aus der Region nicht ganz soviel anfangen kann.

Nagut, manche bauen dann auch in Friedenszeiten eine Kanone, die bis zum Mond schießt2 und manche versuchen ihren Machthunger in der Wirtschaft auszuleben, oder am Arbeitsplatz, oder in der Schule und jetzt auch im Internet und in den sozialen Medien. Es muss eben immer Gewinner und Verlierer geben und vor allem „Mitläufer“ und „Jünger“.

Dass, damit der, der glaubt die Macht zu haben, sich in dieser Scheinheiligkeit sonnen kann. Naja, zumindest bis dann die Follower den Dolch rausziehen. Hm.

Aber herrjeh, wo bin ich denn jetzt gelandet?!? Ich wollte doch über die diesmalige Kunstausstellung in der Talstraße schreiben:

„Eisen- und Stahlplastik – Aspekte einer Entwicklung“

Sozusagen „kreative Maschinen“ und Plastiken aus Rohstoffen, die sonst in der Industrie verwendet werden. Hochwertige Rohstoffe, für Elektroautoantriebe, Kabel und Solaranlagen, die hier einfach nur verwendet wurden um irgendetwas völlig sinnfreies damit zu tun, oder auch nicht.

Auf alle Fälle nichts, womit die eine Macht der anderen Macht den Sand im Sandkasten abringen kann. Zumindest nicht auf die in der Einleitung beschriebene Weise.

So ist die Ausstellung eine schöne Exkursion hinaus aus allen Krisen und hinein in eine phantasievolle Materialkreativität.

Also, wie immer: „Was will der Künstler uns damit sagen? – Nichts!“

Bei manchen Konstrukten fällt ihm selber nicht mal der Titel ein. Vielleicht würde ein Kunstkenner hier sagen: „Er lässt eben alles für den Betrachter offen.“ Der soll sich drin verlieren und soviel darüber nachdenken, dass er die sämtlichen Krisen der Menschheit einfach darüber vergisst.

Was für eine schöne Abwechslung zu all den maslowschen Themen außerhalb und ein Eintauchen in den Zauber von Kultur und Phantasie.

Was kann man denn aus Eisen, Stahl und Kunststoff noch so alles machen außer Kanonen und Mundschutzmasken?

Z.B. einen „Apollinischen Vorreiter“, — aber ehrlich gesagt, bei den Reißzähnen und dem unheimlichen Aussehen, hätte ich eher auf einen „Apokalyptischen Vorreiter“ getippt.

Eine sehr interessante Figur, die uns Horst Sagert im Jahr 1986, ich würde sagen, zusammengenietet hat. Eigentlich mit positivem Titel aber unheimlicher Erscheinung. … oder liegt das einfach nur daran, dass man 1986 den Stand der Dinge einfach freundlicher betrachtet hat als 2022? Prägt das Umfeld die menschliche Psyche?

Gestaltet die menschliche Psyche oder das menschliche Denken das Umfeld?

Also dann, liebe Leudde, denkt jetzt bitte mal alle positiv! So an Klarheit und Schönheit und Maß und Ordnung3. …ausgeglichen, harmonisch, maßvoll, rational…. ok, ich glaube, ich stehe hier vor der falschen Plastik. Oder sollte ich ein Glas „Limzi“ dazu trinken? … oder um im Zeitgeist 2022 zu bleiben, eine Tüte Cannabis dazu rauchen? Oder hat der Künstler sich hier einfach nur vertippt? Oder hatte ER ein Glas „Limzi“? Oder zwei?

So, dann öffne ich jetzt mal den Ausstellungskatalog4 um der Sache mit dem „Limzi“ auf die Spur zu kommen.

Katalog Ausstellung Talstrasse "Eisen und Stahl Plastik" (ISBN 978-3-948389-05-5)
Katalog Ausstellung Talstrasse „Eisen und Stahl Plastik“ (ISBN 978-3-948389-05-5) – noch in Folie 🙂

Hm, hier leider keine weiteren Aufklärungen, nur, dass er für Bühne und Kostüm bei zahlreichen Inszenierungen am „Deutschen Theater“ und am „Schauspielhaus Zürich“ verantwortlich war. Tja, so könnte das auch eine Figur für ein Bühnenbild darstellen. So ein Theater aber auch. Jedenfalls bin ich immernoch der Meinung, er hat sich verschieben und gemeint ist hier ein „apokalyptischer Reiter“.

Ok, also von diesem inkonsistenten Objekt zur wirren Plastik, die auch auf dem Werbeplakat der Ausstellung von den hübschen Litfaßsäulen des Herren Litfaß und der Stadt Halle dramatisch auf uns nieder wirkt. Der „Proletkunst nr. 3“ des Herrn Jean Tinguely, der übrigens auch schon tot ist, genauso, wie der Herr Sagert und der Herr Litfaß.

Und genau in diesem Moment frage ich mich, wie sehen denn die Eisen und Stahl Plastiken der GenX-Y-Z aus?

Oder gibt es gar gar keine? Gibt es hier etwa nur digitale Kunst? Kunst, die nicht für die Ewigkeit gedacht ist, flimmernd, bunt übertrieben und unwirklich wie das virtuelle Leben 2022? Also jedenfalls nicht rostig, gruselig deprimierend und verbaut wie die Plastiken aus den Jahren 1986 und 1989. Da „Eisen und Stahl (…) heute nicht mehr die selbstverständlichen Begleiter von Fortschritt und Modernisierung“ sind. Was sind denn heute die Begleiter von Fortschritt und Modernisierung? Die Digitalität?

Die Humans go virtuell? Raus aus dem täglichen Hamsterrad und hinein in eine hübsche virtuelle Welt? Lasst uns mit unserem Avatar in eine Kunstausstellung im virtuellen Raum verschwinden und einen schönen verbrannten Banksy mit unseren NFTs kaufen um den dann in unser schönes digitales Haus am digitalen Meer zu hängen und zu hoffen, dass uns da kein Hacker unsere teuer erworbene blockchainenergiefressende Einzigartigkeit klaut. Ist die Menschheit dekadent? Nach der Dekadenz kommt der Fall? Rom – hä? Also die Welt am Draht und die Dekadenz hält den Bolzenschneider parat?

Also dann doch lieber der Tierschädel am Draht auf Brunnen in der Talstrasse in Halle. Möglicherweise war auch hier ein Bolzenschneider im Einsatz. Oder reicht etwa schon eine Kneifzange aus mit der man sich die dekadenten Hosen anziehen kann?

Abstrakt, strange und proletarisch?

Also was heißt „Proletkunst“? Kommt das jetzt vom Proleten oder vom Proletariat? Ich glaube, ich versinke immer mehr in die komplette Verwirrtheit über Titel vs. Ausstellungsstück, schon wieder inkonsistent. Ich suche hier jetzt mal etwas mit klaren Linien.

„Eight Lines with Spirals“ von George Ricky, auch schon tot, hängen von der Decke und sind eindeutig. Genauso, wie Ursula Burghardts „Rosette“ aus dem Jahr 1965 auch eindeutig ist. Und ja, auch schon tot. Sterben die echten Handwerker der Kunst aus? Wieviel Kraft braucht eine Frau um den Stahl zu einer Rosette zu biegen? Wie hat sie das gemacht? Oder noch verblüffender: wie hat Dieter Koswig (hey, nicht tot!) das „kreisförmige Objekt ohne Titel“ 1986 so in Form biegen können? Stahldickblech, also wirklich dick. Wahrscheinlich ist es Kunst das dicke Dickblech so zu biegen und dabei keine Spuren zu hinterlassen. Kunst ohne Titel halt, eben ein bearbeitetes Stahldickblech. Hm. Eigentlich möchte ich es am liebsten in der Hand halten und gegen Richtung Decke stemmen. Ob ich das wohl schaffen könnte?

Wieviel wird so ein kunstvolles Stahldickblech wohl wiegen?

Und was macht eine „Vogel“- Zeichnung von Andrea Zaumseil in einer Ausstellung zu „Eisen und Stahl Plastik“? Mitunter das Beste Ausstellungsstück dieser Periode. So wunderbar schwarz in schwarz und man kann trotzdem alles erkennen. Der Vogel ist so süß und so perfekt getroffen. Wie kann man das nur so perfekt hinbekommen mit nur Schwarz und Grautönen? Schwarz, noch schwärzer, Vantablack—

Ah, Andrea Zaumseil macht auch in Stahlplastik! So passt es und ihre Stahlplastiken im „öffentlichen Raum“ sind sehr faszinierend, so etwas hätte ich von der Professorin der „Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle“ auch gern in Halle oder näherer Umgebung anzusehen gehabt.

Daneben Wolfgang Nestlers „Spirale auf dem Weg zum Schluss“. Sie wird den Schluss nie finden, denn das Ende trifft den Anfang nicht. Es sei denn der Schluss ist nicht der Anfang. Aber wo ist dann der Schluss, wenn er nicht wieder der Anfang ist? Er endet im Nirgendwo auf der weißen Rauhfasertapete oder in den unendlichen Weiten des digitalen Universums der nichtwirklichen Realität der „Kreativ Maschine“6.

Eure Jana

ps. Wenn von Interesse, hier noch eine Ansicht zur diesmaligen Ausstellung der Talstrasse.

1 – Statista: IEA. (28. Oktober, 2020). Energiebedingte CO2-Emissionen nach ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2018 (in Millionen Tonnen) [Graph]. In Statista. Zugriff am 24. April 2022, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/35658/umfrage/laendervergleich-co2-emissionen-durch-verbrennung-von-treibstoffen/

2 – Vgl. Jules Verne „Von der Erde zum Mond“

3 – Bedeutung „apollinisch“

4 – Ausstellungskatalog zu „Eisen und Stahl Plastik – Aspekte einer Entwicklung“ – (ISBN 978-3-948389-05-5)

5 – Ausstellungskatalog zu „Eisen und Stahl Plastik – Aspekte einer Entwicklung“ – (ISBN 978-3-948389-05-5); Arie Hartog „Modernes Metall: K(L)EINE GESCHICHTE IN ZWÖLF STICHWÖRTERN; S. 15

6 – „NEA MACHINA die KREATIVMASCHINE“ von Thomas und Martin Poschauko; verlag hermann schmidt