Fährt man in London mit der U-Bahn sieht man in den Bahnhöfen allgegenwärtig Werbung für alles Mögliche, zum Beispiel für Veranstaltungen. Da sind die Stücke, die immer laufen, Hochglanz mit schrecklich dramatischen Gesichtern auf den Bildern, fürs Touristenvolk, wie die Eiskönigin in Hamburg oder Taylor Swift im Radio.
Aber da ist irgendwo in einem Aufzug in der Ecke auch ein hübsches Bild mit einem König und weiteren interessanten Gesichtern, offenbar nicht ganz ernst zu nehmen – “The Crown Jewels”, die Kronjuwelen im Garrick Theatre. Es war dann auch so ziemlich das einzige interessante Stück, wozu es noch Karten gab, und da ohne weltbekannten Superstar auch noch bezahlbar.
Das Stück handelt über eine wahre Begebenheit: Ein intelligenter und dreister Schurke namens Colonel (immerhin Oberst!) Thomas Blood hatte 1671 versucht, die englischen Kronjuwelen aus dem Tower in London zu stehlen. Dabei ging es ihm weniger um den Wert der Juwelen, nein, er wollte ein politisches Zeichen gegen die Monarchie setzen. Klimakleber versuchen heutzutage auch, Zeichen zu setzen. Thomas Blood war aber im Gegensatz zu ihnen eine sehr beliebte Persönlichkeit.
Doch wie kam es dazu?
Karl I. und sein Stress mit dem Parlament
Karl (Charles) I. war der Vater von Karl (Charles) II., dem Mr. Blood die Juwelen rauben wollte. Der wollte damals am liebsten ohne Parlament regieren, da ihm das ständig auf die Finger schaute. Allerdings wurde es von ihm trotzdem von Zeit zu Zeit zusammengerufen, weil es die größeren Geldsummen bewilligen musste, die er für Kriege und zur Niederschlagung von Aufständen benötigte. Heute ist hierzulande das nervige Parlament ständig da und man muss eben dann versuchen, seine Gesetze kurz vor der Sommerpause schnell noch durchzubekommen, wenn die Abgeordneten gedanklich schon in der Sonne liegen.
Bei Karl hat sich nun das Parlament angemaßt, von ihm im Gegenzug zu dem Geld zu verlangen, dass er sich an die Gesetze halten solle und nicht mehr die Leute einfach so zu verhaften. Außerdem wollten sie ihn jetzt mehr kontrollieren. Das ging Karl aber nun doch zu weit. Scheiß Demokratie. Er versuchte also 1642, den Chef vom Unterhaus zu verhaften, was allerdings schief ging und einen Bürgerkrieg auslöste, königliche Truppen gegen Parlamentsheer. Unser Held Blood kämpfte zuerst bei den königlichen.
Oliver Cromwell und die Republik
Allerdings gab es jetzt einen charismatischen Typen bei den Feinden, der die Leute für sich gewinnen konnte und anfing, zu gewinnen, nämlich Oliver Cromwell. Oberst Blood lief nun über und kämpfte als Leutnant für Cromwell. Als Belohnung bekam er am Ende des Bürgerkriegs stattliche Besitztümer in Irland.
Das Ganze ging am Ende für Karl nicht gut aus, er wurde hingerichtet und die Monarchie gabs nicht mehr. Cromwell hatte jetzt das Sagen und vernichtete erstmal die Kronjuwelen. Vom Parlament hielt er allerdings auch nicht so viel und die Leute waren wohl doch nicht so ganz glücklich mit ihm, zumal er Puritaner war und von den Freuden des Lebens nicht so viel hielt.
1660, nach Cromwells Tod und einem gescheiterten Nachfolger entschied nun das Parlament, das irgendwie Cromwell überstanden und sich wieder aufgepeppelt hat, doch lieber wieder einen König haben zu wollen.
Und nun konnte Karl II. endlich König werden.
Er hatte sich bis dahin in Frankreich und Holland bzw. im heutigen Belgien aufgehalten und auch mal Urlaub im heutigen Deutschland gemacht. Vielleicht hat er hier die staatliche Post kennengelernt. Vom puritanischen Leben hielt er offenbar nicht so viel, er genoss die Freuden des Lebens recht ausschweifend. Die Kronjuwelen wurden wieder hergestellt.
Unserem Freund Blood nahm er seine Besitztümer in Irland weg, was den nun dazu brachte, Aufstände und Anschläge gegen die Krone zu unternehmen, wo es nur ging. Er hatte eine wild zusammengewürfelte Armee um sich geschart, dabei die “Fifth Monarchy”. Die Sekte wird die neue Generation der Heiligen in einer tausendjährigen Herrschaft, nachdem Jesus Christus zurückgekommen ist. Da sie praktisch Heilige waren hielten sie sich für unverwundbar, das war natürlich günstig für Bloods Zwecke. Auf ihn waren 150000 Pfund Kopfgeld ausgesetzt*1.
Karls Geheimdienst
Karl II. hatte allerdings dazugelernt. Er wusste, welche Gefahr von den Leuten ausging, die ihm nicht wohl gesonnen waren. Vielleicht hat er ja von den Deutschen gelernt, jedenfalls wurde nun auch in England das Staatsmonopol für die Post eingeführt. Man konnte sich nun unkompliziert Nachrichten zukommen lassen. Er wusste die Bedeutung von Informationen zu schätzen und sein Geheimdienst arbeitete sehr effektiv. Er hatte Geräte, um blitzschnell Briefe zu öffnen, kopieren und wieder zu verschließen, Handschriften zu fälschen, Wachssiegel nachzubilden und es gab Experten, die chiffrierte Schriften entziffern konnten*1.
Heute braucht es schon eine künstliche Intelligenz, um alle unsere Informationen aus Facebook, WhatsApp, Twitter und den Bilderwolken zu verarbeiten, und ich glaub nicht wirklich dass da viel Gescheites dabei rauskommt.
Damals hat’s funktioniert und so liefen Bloods Pläne immer wieder ins Leere, trotz seiner meisterhaften Verkleidungen und tollkühnen Heldentaten*1.
Bis es ihm reichte und er beschloss, die Kronjuwelen zu stehlen. Aber wie stellt man das an und wie wird das wohl ausgehen?
In der Ersten Szene nun sang die Kammerdame der Königin, die gerade aus dem Bett des Königs kam, ein Loblied auf den König, wobei man sich des Verdachtes auf etwas Sarkasmus nicht erwehren konnte.
Vorbereitung des Raubes
Danach sah man Colonel Blood, seinen Sohn Thomas Blood Junior, Jenny Blaine, eine Schauspielerin sowie Robert Perrot, ein Sektenmitglied der “Fifth Monarchy”, wie sie die Pläne für den Raub der Kronjuwelen schmiedeten. Man probte die Verkleidung. Blood klebte sich einen Bart an und wurde zum Pfarrer. Die Brille des Herrn Perrot wurde als ungeeignet erklärt. Die Schauspielerin war nun die Frau von Blood, die zeigen musste, ob sie ihre Rolle auch spielen kann. Sie lief über die Bühne mit scheinbaren Schmerzen und fiel dann theatralisch auf einen Stuhl und seufzte. Das Publikum fand es auf jeden Fall sehr gelungen und konnte sich kaum wieder beruhigen. Trotzdem war man schon etwas besorgt, dass man am Galgen enden könnte.
Im Tower
war dann die Familie von Talbot Edwards, die die Kronjuwelen bewachte, dabei, sich die gebackenen Kronen und Zepter anzusehen, die als Souvenir verkauft werden sollten. Tochter Elizabeth beklagte sich in einem Lied, dass sie in diesem Haus nie einen Ehemann finden würde und wünschte sich ein Haus ohne Löwen. Auch würden die Eltern ihren Bruder Wythe ständig bevorzugen, der in der Armee diente.
Es klopfte nun und der vermeintliche Pfarrer mit falscher Ehefrau kamen. Die Frau bekam ihre Schmerzen und wurde ins Wohnzimmer gebracht. Dem Pfarrer wurden die Kronjuwelen gezeigt, die in einem Raum in einem Holzschrank untergebracht und gegen einen Beitrag besichtigt werden konnten, natürlich mit einigen Schlössern davor.
Heute muss man sich dazu lange voranmelden.
Später unterhielten sich alle über einen reichen Neffen des Pfarrers, der doch der Tochter mal vorgestellt werden könnte.
Der Tag des Raubes war nun gekommen.
Es gab früher hier den Girls-Day, wo die Töchter mal in die Berufe der Eltern reinschnuppern konnten und einen Tag mit auf Arbeit kamen. Heute heißt das Zukunftstag und auch Jungen können da heute mitmachen. Nun, offensichtlich war unser Freund Blood sehr fortschrittlich, er nahm seinen Sohn auch schon mit zur Arbeit. Man verkleidete sich wie üblich als Pfarrer mit Frau, der Sohn war nun ein Freier, der um Tochter Elizabeth werben sollte.
Im Tower angekommen, bekam Frau Edwards weiße Handschuhe als Dank für die Hilfe beim Schmerzanfall der Frau Pfarrer letztens. Man unterhielt sich mit dem jungen Mann als potenziellen Schwiegersohn. Die übrigen Männer gingen derweil zu den Kronjuwelen. Der 77jährige Edwards hatte einige Mühe beim Öffnen der Schlösser und die Diebe wurden ungeduldig, bis der arme Mann mit einem Hammer niedergeschlagen und auch noch mit dem Schwert durchbohrt wurde, nachdem er “Verrat!
Ermordung! Die Krone ist gestohlen!” gerufen hatte. Die Krone passte nicht unter Bloods Mantel und so wurde sie mit dem Hammer platt gemacht. Ebenso versuchte man das Zepter zu zersägen, da es zu lang war.
In dem Moment kam Sohn Wythe auf Urlaub nach Hause, hörte die Rufe und nahm die Verfolgung auf. Elizabeth erklärte ihrem Freier, dass sie trotz seiner Beteuerungen es doch persönlich nehmen würde, wenn ihr Vater ermordet wird.
Auf der Bühne wurde nun eine “hilfreiche Karte des Tower” gezeigt, auf der man Diebe und Verfolger als Figuren beobachten konnte. Das Ende spielte sich auf der Bühne ab, als die Figuren nacheinander wieder zu Schauspielern geworden waren.
Im Knast
waren sich die Strolche dann doch recht sicher, am Galgen zu enden, nach dem Mord an dem alten Edwards. Der Vater- Sohn- Tag war nicht ganz so glücklich verlaufen.
Allerdings erfuhren sie nun, dass der Alte doch nicht tot war. Es gab neue Hoffnung.
Talbot Edwards war inzwischen zum Star geworden, jeder wollte seine Geschichte hören, aber natürlich ging das nur begrenzt bei den schweren Verletzungen. Das Geschäft boomte, die Touristen kauften eifrig Backkronen und anderes. Man muss eben die richtige Marketing- Strategie finden.
Als dem König von seinem Diener die Nachricht vom versuchten Raub überbracht wurde,
zusammen mit dem Wunsch der Kammerfrau der Königin, ihn sehen zu wollen, war dieser gerade in der Unterhaltung mit einer französischen Nobeldame, die ihm allerdings zu französisch war. Er schickte sie weg und erklärte dem Diener in Bezug auf die Kammerfrau, er lehne ab da einmal am Tag das richtige Maß sei, wie mit den Äpfeln. Die Nobeldame wollte von der Bühne in den Zuschauerraum und beschwerte sich, dass es kein Geländer an der Treppe gab. Der König meinte dazu, dass solche Sicherheitseinrichtungen vom Kontinent hier nicht nötig seien.
Letztendlich
kam es zu einem Gespräch zwischen dem König und Blood, der nur ihm Fragen beantworten wollte.
König Karl war schon irgendwie von Blood beeindruckt. Dieser versuchte ihm klarzumachen, dass es doch eine gute Tat wäre, ihn einfach laufen zu lassen. Das lehnte der König ab. Er hatte andere Pläne.
Man sah dann Blood in einem Gespräch mit seinem Sohn, der irgendwie erstaunt war, dass sein Vater noch lebte. Das erstaunlichste war, dass er sogar Land in Irland bekommen hatte.
Karl hatte ihn als Staatsspion in England und Holland eingesetzt. Er wurde auch ein freiberuflicher Agent *1.
Der König wusste offenbar, gute Leute für sich dienstbar zu machen. Oder aber er fürchtete die Rache von Bloods Leuten, die einen Eid auf ihn geschworen haben sollen.
Ich glaube allerdings nicht, dass heutzutage ein Raub der Kronjuwelen genauso ausgehen würde, aber weiß man’s?
*1 – THE 17TH CENTURY WORLD OF COLONEL BLOOD by Robert Hutchinson OBE aus dem Programm zum Stück