Ich hatte mich schon immer gefragt, was es mit dem Geheimwissen der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe auf sich hatte. Und dass nachfolgende User zumindest einen Teil der Darstellung nicht mehr verstanden und auch noch unkenntlich gemacht haben sollen, wo doch nur so paar blöde Punkte darauf waren, das war schon spannend.
Ein Mikrochip war da ja sicherlich nicht drin. Man hätte da vielleicht auch mal im Internet recherchieren können, naja, man kommt eben dann doch nicht dazu oder denkt nicht daran. Und ehrlich gesagt, jetzt, wo ich mir das in Wikipedia nochmal angesehen habe, hätte mir das ohne den Besuch der Arche Nebra auch nicht allzuviel gebracht.
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Deutlich zu erkennen ist die Mondsichel. An der oberen Spitze sieht man sieben goldene Punkte, die offenbar dem Siebengestirn, oder fachmännisch den Plejaden entsprechen. Das Gold stammt übrigens aus Cornwell.
Wo sich nun alle einig sind, ist, dass die Plejaden um den 10. März am abendlichen Westhimmel zum letzten Mal untergehen, und zwar in dem Bereich, wo die junge Mondsichel nach Neumond erscheint. Da beginnt die Aussaat. Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Um den 17. Oktober gehen die Plejaden zum ersten Mal am Morgenhimmel unter, und zwar im Bereich des Vollmondes, da beginnt die Ernte.
Inzwischen stehen die Sternbilder übrigens ganz wo anders.
Durch die Präzession der Erdachse, die in 25800 Jahren eine Umdrehung macht, haben sich die Sternbilder inzwischen um 50 Tage verschoben. Das Ereignis des letzten sichtbaren Untergangs am Abendhimmel wäre also jetzt um den 7. Mai, doch da gehen sie um 21:30 kurz hinter der Sonne unter, wo sie sicherlich in der Dämmerung tatsächlich nicht mehr sichtbar sind. Damals am 10.3.-1700 war die Sonne aber um die Zeit schon längst untergegangen.
Betrachtet man dagegen den 10.3.21, da stehen sie noch hoch am Himmel und denken noch gar nicht an untergehen.
Ok, also wieder 3600 Jahre zurück in die Zeit der Himmelsscheibe.
Die Plejaden sind also grad noch kurz zu sehen, wenn es dunkel wird, dann gehen sie unter, also kurz nach der Sonne. Sie stehen somit recht nahe bei der Sonne, wenn auch nicht in Konjunktion.
Was hat da aber nun der Mond damit zu tun? Wenn der Mond im März irgendwann nahe der Plejaden steht, dann ist seine Konjunktion mit der Sonne grad vorüber, sprich der Neumond. Deshalb ist er nahe der Plejaden eine schmale Sichel. Ok, deshalb die Sichel. Verstanden.
Der Mond lässt sich besser beobachten als die Sterne, da er sich ja auch relativ viel schneller bewegt. Deshalb hat man sich nach dem Mondkalender gerichtet. Bekanntlich ist der Mondzyklus etwas kürzer als ein Zwölftel des Sonnenjahres, somit hat ein Mondjahr etwa 11 Tage weniger. Also verschieben sich die Neumonde und Neulichter (erste sichtbare Mondsichel) jährlich um 11 Tage. Das ist etwa ein Drittel eines Monats.
Nun ist in der Arche Nebra eine Grafik zu sehen, wo die Mondsichel jedes Mal im nächsten Jahr etwas dicker wird, wenn der Mond den Plejaden begegnet.
Hat er dann die Dicke erreicht, die auf der Himmelsscheibe aufgezeichnet ist, muss ein Schaltmonat eingefügt werden. Das wäre dann alle vier Jahre. Und das verwirrt mich. Also mal näher ansehen:
Neumonde im Februar/ März (Nach dem 10.3. ist sind ja die Plejaden kaum mehr zu sehen, also schon untergegangen):
2019: 06. März
2020: 23. Februar
2021: 11. Februar /13. März
2022: 02. März
Also immer im nächsten Jahr etwa 11 Tage eher. Die Plejaden sind aber jedes Jahr fast an der gleichen Stelle.
Der Mond braucht also immer unterschiedlich viel Zeit, um die Plejaden einzuholen, umso länger, desto dicker ist er mittlerweile.
Ein Sternbild geht im Jahr einmal um die Erde, wandert also rund 1° täglich. Der Mond braucht etwa 30 Tage, also 12° pro Tag. Das folgende Rechenbeispiel ist etwas vereinfacht, aber der Trend wird klar sichtbar.
2019: Vom Neumond sind es bis zum 10. März 4 Tage. Die Plejaden wandern 4°, der Mond hat sie nach nicht mal einem Tag eingeholt, ganz dünne Sichel.
2020: 16 Tage, Mond etwa 1 Tag unterwegs
2021: 27 Tage, Mond braucht etwa 2 Tage, dicke Sichel!
2022: Wieder ganz dünne Sichel.
Also tatsächlich: Die Sichel nimmt zu, und 2021 wäre ein Schaltmonat eingefügt worden. Ich bin einigermaßen verblüfft!
Und die anderen goldenen Punkte auf der Scheibe?
Mit Mondsichel und Plejaden sind es insgesamt 32, mit Sonne bzw. Vollmond 33.
Es wurde nach Meinung der Fachleute sehr darauf geachtet, dass keine Ähnlichkeit zu weiteren Sternbildern entsteht.
Die Zahl 32 ist jedoch Bestandteil einer weiteren Mondschaltregel. Zählt man die Tage vom letzten Winterneulicht bis zum ersten Frühlingsneulicht, so sind es bekanntlich 29 – 30, kommen die oben errechneten zum Erreichen der Plejaden noch dazu, werden es in 2021 32. Also: 32 Tage vom letzten Winterneulicht bis Plejaden bedeutet Schaltmonat! Das ist die zweite Regel, wann ein Zusatzmonat fällig ist.
Was passiert, wenn man den Schaltmonat weglässt, wie es die Islamisten tun? Dann wandern die Mondmonate über das ganze Sonnenjahr, wie es der Fastenmonat Ramadan tut. Vielleicht spielen in manchen Ländern ja die Jahreszeiten nicht so sehr die entscheidende Rolle.
Wie man unschwer errechnen kann, sind nach dem Mondkalender nach 33 Jahren nur 32 Sonnenjahre vergangen. Deshalb befinden sich mit der Sonne 33 Punkte auf der Scheibe. So wird das jedenfalls im Film in der Arche gezeigt.
Mit der Ernte, wo damals am 17.Oktober der erste Plejadenuntergang am Morgenhimmel zu sehen war, würde das heute auch nicht mehr funktionieren. Den Untergang sah man vor 3600 Jahren nicht vor dem 17.10. weil es bis zu diesem Tag zum Plejadenuntergang schon hell war. Heute sieht man den Untergang erst viel später im Jahr, wegen der bereits erwähnten Verschiebung der Sternbilder um 50 Tage.
Am 17.Oktober 2021 ist es längst hell, wenn die Plejaden untergehen.
Damit ist eigentlich auch klar, dass die Sonnenscheibe gar nicht so viel jünger sein kann, denn dann hätte sie nicht funktioniert.
Da es sich diesmal um einen Sonnenaufgang handelt, steht die Sonne also im Osten, und der Mond bei den Plejaden im Westen ist demzufolge ein Vollmond. Deshalb der große runde Kreis auf der Scheibe.
Interessant ist, dass man früher die Technik benutzt hat, um aus dem Stand der Sterne das Datum zu erfahren. Heute benutzt man sie, um den Stand der Sterne nach dem Datum zu ermitteln.
Sonnenscheibe mit Sonnenbögen
Nun gibt es aber die zwei Sonnenbögen auf der Scheibe, die zwei der Punkte verdecken und wegen denen einer verschoben wurde. Man glaubt, man wusste später nicht mehr um die Wichtigkeit der Zahl 32 und hat sie deshalb zugepflastert.
Nunja, eigentlich war das Wissen, was die Bögen bedeuten, damals schon kalter Kaffee, sprich 6900 – 3600, also 3300 Jahre alt, vielleicht etwas weniger. Denn vor 6900 Jahren wurde in Goseck ein Sonnenobservatorium gebaut. Zwei der Tore darin entsprechen den Enden der Bögen auf der Himmelsscheibe und zeigen Sonnenauf- und Untergang zur Wintersonnenwende.
Interessant ist, dass sich demzufolge Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende und Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende und umgekehrt genau gegenüberliegen. Kann das sein, ist das Zufall?
Betrachtet man die Erde und die Sonne zur Sommersonnenwende, wo der Nordpol der Sonne zugewandt ist, von der Seite, und die Erde stünde links von der Sonne, wären wir zum Sonnenaufgang genau auf der uns zugewandten Erdseite und würden nach rechts Richtung Sonne schauen.
Ein halbes Jahr später sind wir genau auf der anderen Seite der Sonne und schauen zum Sonnenuntergang auf der uns zugewandten Erdseite nach links.
Sommersonnenwende und Wintersonnenwende
Das sind genau 180° Unterschied zwischen den Sonnenwenden, also logisch.
Während die Anlage in Goseck aber fest installiert ist, muss die Sonnenscheibe erst ausgerichtet werden, sonst macht das Ganze keinen Sinn. Nach dem Besuch habe ich mich gefragt, wie die das gemacht haben, es war ja kein Pfeil nach Norden drauf oder sowas.
Bei Wikipedia fand ich dazu allerdings einen interessanten Hinweis:
Laut einer Skizze muss man die diagonal gegenüber liegenden jeweils vom Rand aus gesehen linken Enden der Bögen genau zwischen Mittelberg und Brocken ausrichten. Oder man legt sie auf den Mittelberg und dreht sie zum Brocken. Und schon funktioniert es und der Besitzer kann mit seinem Wissen angeben. Sofern er nicht damit durch die Welt reist, er muss zwischen Mittelberg und Brocken oder am Besten auf dem Mittelberg bleiben. Aber Moment: Bei Wikipedia ist Norden unten auf der Scheibe.
By the way, woher weiß man überhaupt, was bei der Scheibe oben und unten ist? Klar doch, es muss ein zunehmender Mond sein.
Und was ist jetzt richtig, Norden oben oder unten auf der Scheibe? Oder ist das egal, da sich ja die Auf- und Untergänge jeweils sowieso gegenüber liegen, wie bereits festgestellt? So gesehen wäre es tatsächlich egal. Aber in der Arche gab es noch einen entscheidenden Hinweis:
Durch die Lichtbrechung am Horizont verschiebt sich der Winkel ein wenig. Das wurde eingearbeitet und die Bögen sind etwas nach oben gerückt. Damit muss Norden oben sein. So steht es in der Arche geschrieben.
Mir erscheint das ehrlich gesagt nicht ganz logisch, da die Verschiebung genauso auftreten müsste, wenn man nach Süden schaut. Wie auch immer.
Und warum gab es in der Arche keinen Hinweis, dass man die Scheibe nach dem Brocken ausrichtet, wie in Wikipedia beschrieben?
Vielleicht wurde das nicht erwähnt, weil das Original ja jetzt in Halle liegt und somit dort nicht funktioniert! Nunja, die Aussaat würde sowieso 50 Tage zu spät stattfinden, wegen der Erdpräzession.
Denkt man aber weiter, wird es erst interessant. Der Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende findet vom Mittelberg aus gesehen genau am Brocken statt. Somit ist der Mittelberg ein natürliches Sonnenobservatorium. Der Brocken ist der markanteste Punkt in Deutschland und vom Mittelberg aus noch ganz gut sichtbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Zufall ist, dass die Scheibe genau hier gefunden wurde. Dieser Punkt wurde von den genialen Astronomen bewußt ausgesucht! Vielleicht sollte man an den anderen Punkten, wo der Brocken einen Sonnenwendesonnenauf- oder untergang markiert, auch mal buddeln.
Nach einer Theorie, die allerdings noch nicht bewiesen ist, hat sich folgendes zugetragen: In Stonehenge in Wales wollte man Goseck nicht nachstehen und baute einen Steinkreis. Dann kam man auf die Idee mit den Plejaden, holte sich Gold aus Cornwell um die Ecke und baute Himmelsscheiben. Man gab dann dem Käufer noch etwas Gold mit, mit dem konnte er sich dann die Sonnenbögen entsprechend seinem Wohnort draufbasteln.
Offenbar hat man in Nebra noch Gold übrig gehabt und lange überlegt, was man noch so darstellen könnte.
So wurde dann noch eine Barke auf die Scheibe gemalt, die nach allgemeiner Meinung ein Schiff darstellen soll, weil das wohl gerade Mode war. Nicht besonders einfallsreich. Damit war dann auch endgültig geklärt, wo oben und unten ist, sonst säuft die Barke ja ab.
Keine Ahnung ob man auf der Unstrut dort rumgeschippert ist, es soll ja auch möglicherweise eine religiöse Bedeutung geben. Ich persönlich bin der Meinung, die Leute haben da nicht gewusst, was sie für ein tolles Ding haben und geniale Wissenschaft mit völlig Unlogischem entwertet. Ein Astronom von damals hat doch nicht ernsthaft geglaubt, dass die Sonne mit einem Schiff durch die Gegend fährt.
Die Himmelsscheibe ist also schon ein tolles Ding, geht aber leider in Bezug auf Aussaat und Ernte 50 Tage nach. Aber in 22000 Jahren passt es wieder!
* Erstellt mit der App SkyPortal
**Zeichnungen von Elmira Beyer