Die Geschichte fängt noch gar nicht an….

Erich Kästner legt sich längelang auf dem Fußboden zum Nachdenken und ich bügle hier unten im kleinen Bad und höre HipHop zur Inspiration – ha! Wie sich die Zeiten geändert haben. Aber das auf den Fußboden legen finde ich auch gut… allerdings, wer bügelt dann? Hmm…. Naja, so beim Bügeln und Nachdenken über Kästner und seine Detektive schleicht sich immerwieder die Frage in meinen Kopf: „Wieso schreibt der Kästner solch harmlose Kinderbücher?“ Warum schreibt er so wenige dieser brillanten zeitkritischen Texte wie Fabian? Für mich passt das überhaupt nicht zusammen. Da schlagen zwei Herzen in der Brust, oder? Wieso solch 180 grd Wende? Nein, hiermit will ich nicht sagen, dass seine Kinderbücher nicht toll sind. Da würde ich ja gegen die Gesetze der brillanten Weltliteratur verstoßen, wofür man mich ganz bestimmt intellektuell zusammen mit Wasser und Brot wegsperrt.

Aber irgendwie…. Hmmmm….. Vielleicht kann man sich mit dem Schreiben von Kinderbüchern aus dem Weimar republikanischen Weltgeschehen in eine heilere Welt mit mehr Gerechtigkeit und einfacheren Strukturen wegbeamen.

Was für eine verrückte Weltgeschichte

Kästner schrieb den Emil und auch den Fabian in seiner Berliner Zeit. Das war auch die Zeit der Weimarer Republik, ein erster Versuch einer parlamentarischen Demokratie – Hola! Verrückt, chaotisch, aber mit zu viel Unsicherheit und Unzufriedenheit der Massen, was letztendlich populistisch gesteuert und einfach gekippt wurde. Wo das endete wisst Ihr ja. Angefangen hat’s jedenfalls mit der Novemberrevolution. Hallo Lenin, alter Bekannter aus früheren Zeiten! Jetzt zwar nicht mehr so geliebt, aber zugeben muss jeder, DER hatte den Schneid vor 100 Jahren die Macht im Winterpalais zu übernehmen und die Weltordnung komplett neu zu gestalten und eine Zeit einzuläuten, von der wir nicht wissen, ob die uns weitergebracht, oder geschadet hat – hm, schön war’s nicht, was danach kam.

Ok, nicht alles is Lenin, wo auch Lenin drauf steht… aus der „Welt“ vom 07. November 2017 haben wir gelernt, dass ein Herr Kerenski schon ein paar Monate davor versuchte die Geschicke in eine bessere Zukunft zu lenken. Dummerweise hat auch hier der Populismus die Massen umgelenkt….

Viele Regierungsmitglieder,…, überschätzten sich, neigen zu langen Triaden und plötzlichen Volten. Das Kabinett ist ein Markt der Eitelkeiten und ein Parcours für Wichtigtuer. Den Bürgern drinnen fällt es sichtlich schwer, das Volk draußen richtig einzuschätzen.“ ….. „Kerenski schreibt in seinen Erinnerungen: ‚Ich konnte weiter nichts tun, als schweigend zuzusehen, wie das Gift in die Hirne der Intelligenz, der Soldaten und Arbeiter sickerte. Sowohl meine Autorität wie die der Regierung wurden unterminiert.‘“1

Woran erinnert mich das jetzt? Ok, Lenin ist Geschichte … im wahrsten Sinne des Wortes… , von seinem Erbe will keiner mehr was wissen und es muss auch keiner mehr in sein Mausoleum gehen und ihn anbeten, außer vielleicht die Chinesen.2 Manche sind traurig drüber, aber die Meisten interessiert’s nicht. Willkommen in unserer schnelllebigen Facebookwelt mit desinteressiertem populistisch steuerbaren Volk…. Katzenbilder im Feed sind Millionen-Like-wichtig und Putin weiß jetzt gar nicht, wie er damit umgehen soll.2 Nee, nicht mit den Katzen… ich glaube auch, der hat einen Hund. Ich meine mit dem Leninproblem. … und im Übrigen ist Putin sowieso an allem schuld. Ha! Sagt auch Die Partei in ihrem Programm, Absatz 16:

Die Partei will die Mauer zurück und die jungen Russen die UdSSR – och nee – „Dann bleibt doch nur die Revolution?“2 Hä? Wo waren wir gerade? Erst mal bei der letzten Revolution… nee, Moment, da gab es ja auch noch die nach Lenin, die uns die Weimarer Republik beschert hat, dann das, was uns die ewige Schuld gebracht hat…  und dann die, die uns die Mauer erst mal wegbrachte…. Und jetzt wollt Ihr schon wieder eine? Eine, die die Welt noch viel besser macht? Ich weiß nicht recht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, wir drehen uns im Kreis. AHHHHHH!!!! … und jetzt verstehe ich den Kästner, warum der Kinderbücher schreibt…. Ich glaube, ich muss mich jetzt schnell auf den Fußboden legen…..

Die PARTEI hat immer Recht?

…. und unbedingt an das Musical in Chemnitz denken. Bei allem Anderen kommt man sich nur vor, wie mit dem Kopf an die Gitterstäbe gedonnert.

Ist ja jetzt schon eine Weile her, als wir zur Premiere am 14.10.2017 in der wunderschönen Oper in Chemnitz waren.

Vorher, und das war ein MUSS ging‘s natürlich noch in eines unserer Chemnitzer Lieblingsrestaurants, der Villa Esche, essen. Da ist die Welt noch in Ordnung. Da kann man wirklich vom Feinsten genießen und sich kulinarisch wegbeamen lassen. Sie sind im Guide Michelin und auch im Gault-Millau erwähnt… Hey! Nicht milde lächeln! DAS ist schon was für Chemnitz. Halle kann so etwas nicht vorweisen. Wahrscheinlich gibt es im tiefsten Sachsen mehr Gourmets als in so manch anderen Gebieten um uns herum. … und da wollen die „Die Partei“-Freunde eine Mauer drum ziehen – neee Leute, wo sollen wir dann noch gut Essen gehen können in der Nähe? Das wären ja die allertiefsten Abgründe unserer östlich kulinarischen Welt. Ihr müsst Euch da von der Trump Ideologie abkoppeln, Euren satirischen Martinsgeist anstrengen und eine innovativere Lösung finden, liebe „Die Partei“ Freunde. Bitte nicht so primitiv! Mauer um Sachsen4 is nich drin.  Da spricht mehr dagegen, als dafür. Da ballert die Waagschale eindeutig in die „Es-gibt-keine-Mauer-mehr Richtung“. Aber wir können auch gern ein TV Streitgespräch darüber führen oder einen Gabel-Gourmet-Kampf austragen. ODER! Ja, wir ziehen die Mauer um Euer Headquarter Berlin…. so wie früher… dann seit Ihr uns Provinzler auch los… so wie früher…. Aber dann is nix mehr mit „Alle Ressourcen nach Berlin!“ … so wie früher… dann versackt Ihr analog dem BER 🙂 Och, da lacht die Provinz sich wiedermal ein Loch in den Speckgürtelbauch.

Villa Esche am 14.10.2017
Villa Esche in Chemnitz am 14.10.2017

Na, wie war denn nun der Emil in Chemnitz?

So, was gesagt werden musste, musste gesagt werden und auf geht‘s mit freiem Kopf und jetzt auch völlig aggressivlos zu einer der schönsten Familienaufführungen der Oper Chemnitz … und das kann ich jetzt im Nachhinein sagen, dem Musical „Emil und die Detektive“.

Ja, da ist die Welt für uns in Ordnung. Das Kind (8) war glücklich… und wenn Kind glücklich, dann sind auch die Eltern glücklich. So ist der Lauf der Gezeiten – ha! Also DAS kann ich Euch schon mal sagen, das Musical ist unbedingt zu empfehlen und für die Eltern auch viel interessanter als das Buch. JA! Ich weiß, aber als Mama und Papa ist es immer sehr schwierig Kinderbücher vorzulesen, ohne dabei immer müder zu werden um dann irgendwann vom Vorlesehocker zu kippen…. Drum!, in diesem Fall war das nicht der Fall. Hier war es von der ersten wunderbaren Note bis zur letzten auch für uns Erwachsene hinguckens- und hinhörenswert. Da haben sich Marc Schubring und Wolfgang Adenberg eine schöne Vertonung des Kästnerschen Büchleins einfallen lassen.

Die Uraufführung war übrigens 2001 in Berlin. Dieses Berlin scheint mir jetzt dauernd unterzukommen… nee ehrlich….drängt sich richtig auf. MAUER!?! Ok, nein, habe meine Aggressionen im Griff ….. Berlin schien aber zu Kästners Erzählzeit etwas anders ausgesehen zu haben, wenn man nach dem Bühnenbild von Alexia Redl geht. Bühnenbild und Kostüme brachten uns zurück in ein Berlin aus Kästners Zeiten und zu einer ereignisreichen Zugfahrt von Neustadt in die Hauptstadt. (ps. aBER hatte der ein Glück, dass er nicht fliegen musste – ha!)

Die Darstellung des Zugabteils fand ich brillant und die Reise nach Berlin ward auch schön gespielt und gesungen von den Beteiligten (Emil = Marco Toth und Herr Grundeis = Andreas Goebel). Das war wirklich ein Familienstück ohne irgendwelcher politischen Hintergedanken oder Zeitkritik. Alles floss mit Liebe daher und mein Kind war mit Spannung dabei. Natürlich fand sie den Held Emil am besten. Ich musste selbstverständlich gegenhalten und schwärmte da mehr für Gustav (Dennis Hupka) mit dem coolen grünen Klapprad und der Hupe… DAS war essenziell, damit konnten wir auf der Heimfahrt im Auto DAS noch intensiv ausdiskutieren….

Auch hier wieder hat das Chemnitzer Team (Michael Schilhan, Alexia Redl, Bernd Ertl, Andreas Grininger, Mathias Klemm, Ferdinando Chefalo, Christiane Dost) ihre Videotechnik wieder perfekt eingesetzt. Das war so genial und hervorragend gemacht. Die Inszenierung war einfach Spitze und die Musik (Jakob Brenner, Pietro Numico) wunderbar dazu. Alles rundum gelungen. Man fühlte sich wirklich ins Geschehen hineinversetzt und es machte mehr Spaß als im Buch der kästnerischen Handlung zu folgen. „Parole Emil“ und alle Kinder der Umgebung jagen den Gelddieb. Ist wie ein wirklich tolles Kinderabenteuer mit allen spannenden Ausprägungen, die es braucht und ohne depressiver Angstmache, wie es sonst immer so üblich ist, in heutigen Zeiten. Alle Kinder waren dabei, auf der Bühne und vor der Bühne. UND, was hier ganz interessant war, Bank und Polizei waren hier die Guten. Ist ja in allen anderen einschlägigen „Kassenhauern“ immer eher umgedreht der Fall. … und ich frage mich immer noch, wie der Kästner einfach immer so den Schalter umlegen kann… von Emil zu Fabian… oder so ähnlich… nee, oder…. wa!

 

Eure Jana

 

ps….. lege den Kästnerschalter noch mal um. Bitteschön, Gruß aus dem Jahre 1929 an das Jahr 2017:

 

Hymnus auf die Bankiers3

Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.

Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehn, wie man will.)

Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eigenes Geld.

Sie sind die Hexer in Person
und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Geld am Telefon
und Petroleum aus Sand.

Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den andern die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.

Sie glauben den Regeln der Regeldetrie
und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie.
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
(Doch einmal macht jeder Bankrott!)

Anmerkung: Die Konsumenten sind die linke Hand des gesellschaftlichen  Organismus, die Produzenten sind die rechte Hand. Die Bankiers sind die Heimlichkeiten zwischen den beiden.

——

„Die Sowjetmacht schien auf Ewigkeit angelegt, doch sie hielt kein Jahrhundert. Auch die Herrschaft des Kapitalismus werde nicht von ewiger Dauer sein, sagt er (Perfilow). Zum 150. Revolutionsjubiläum im Jahr 2067 soll die Zeitkapsel geöffnet werden. Dann, sagt Perfilow, sei „Iljitsch“ längst wieder Vater der Nation.“2

Oper Chemnitz 2017
Oper Chemnitz 2017

 

1 – Die Welt vom 07.11.2017, Seite 2; „Mit Kerenskis Augen“ von Thomas Schmid

2 – Die Welt vom 07.11,2017, Seite 7; „Lenins Revolution spaltet Putins Russland“ von Pavel Lokshin

3 – Kästner für Erwachsene, Ausgewählte Schriften Band eins; Atrium Verlag Zürich, 1983, S. 139

4 – Diskussion im Facebook Feed der „Die Partei“-  „Die Mauer muss her!“