Wohin zieht es uns an so einem heißen Sonntag im Juni?
Raus in die mystische Welt von Feen und Elfen und Kobolden und Einhörnern in einen Garten voller Rosen eingerahmt von alten Porphyrtreppensteinen.
Diese, Schritt für Schritt erklimmend hinterher dem Kaninchen ins Wunderland.
Lust auf eine Teestunde mit dem Uhrmacher? Oder einfach nur die Märchenwelt im Garten des Kunstvereins Talstrasse in Halle genießen? Und das am Besten zu einem Picknick zwischen Skulpturen von Michael Weihe und Georg Mann, fremdländischer Musik und Leuten um einen herum, die so wunderbar in diese Zauberwelt passen, so mit hübschen Hüten und hübschen Kleidern und gemütlich phantasievollen Picknickkörben und bunten Decken.
Och so wunderbar kann Frau sich hier wegbeamen lassen in die frühlingssonnige Märchenwelt.
Auch ohne eigenen Picknickkorb kann Frau hier leckeres selbstgebackenes Brot mit Kräuterfett oder einfach eine Roster mit Kartoffelsalat genießen.
Also Alice würde hier nicht verhungern auch wenn der Kaninchenbraten gerade davongelaufen ist.
Sie öffnet die Tür und klettert die Stufen hinauf zum Himmelreich oder aber sie gruselt sich am letzten Tag der Ausstellung zu Sitte und seinen Meisterschülern in den Ausstellungsräumen des Kunstvereins.
Viel schöner hätte der Kontrast nicht sein können, von einer abstrakten Märchenwelt in eine abstrakte Horrorwelt. Vom schönen, angenehmen Seelebaumelnlassen zum derben, teilweise noch aktuellem zeitkritischen Absturz in die Hasenlochtiefen der Künstlerseelen von Sitte, Weidenbach, Schult, Deparade und Wagenbrett.
Sitte, der DDR Maler der hässlichen nackigen Menschen, war der Themengeber dieser Ausstellung.
„Hey, Kaninchen, warum hast Du mich jetzt in dieses Loch fallen lassen, wo es in der Welt da draußen doch so schön war? Was soll ich hier in den Köpfen der abstrakten Düsternis?“
Was zieht mich denn da jetzt mehr an?
Oh, erschrockene Menschheit! Ihr wollt die Schönheit und nicht die Düsternis? Aber warum fasziniert Euch denn dann die Düsternis mehr als die Schönheit? Hä?
Aber nein, das stimmt nicht! Es lieben mehr Menschen Helene Fischer als K.I.Z oder Edgar Wasser.
Allerdings und also Bitteschön, dann sollten sich die Medien aber doch auch mehr darauf anpassen und nicht immer so depressiv gruselige Nachrichten verteilen! Dann bräuchten wir nämlich keine Twitterparallelwelt aufbauen, wenn die Medien mal etwas netter und blumiger mit uns wären! Echt jetzt!
Aber wir könnten uns auch einfach mal wieder schön ablenken und uns über die vielen schönen Baustellen um uns herum aufregen – oder ein Diskussionsforum eröffnen mit dem Titel: „Wie finde ich den Eingang zum paradiesischen Garten des Talstraßekunstvereins?“
Zurück in die Märchenwelt! Eh! Über Baustellen will keiner reden!
Ah! Und gerade passend dazu dudelt meine Playliste Monsters & Men mit „Little Talks“ – „Don´t listen to a word I say.“…
Was für eine Seele haben Häuser? Was für eine Seele haben Bilder?
Schaut sie Euch einfach mal an und hört ihnen zu. Denkt Euch hinein in die Bilder, dann findet Ihr vielleicht ihre Seele.
Mystisch, was?
Als ich Norbert Wagenbretts Brigade Bilder sah, lief es mir gleich eiskalt den Rücken runter. Der hat ja so perfekt die Zeit damals getroffen.
Gruselig. Die Frisuren, die Klamotten, das Feeling. Nee, will ich auf keinen Fall wiederhaben! Da kraucht in mir ein richtig ungutes Gefühl hoch – nee, das Damals war nicht die Zeit in der ich hätte weiterexistieren wollen. Brr – unheimlich – aber das DDR Feeling voll getroffen.
Ich glaub, ich muss wieder raus in den Zaubergarten oder weiter zu Dieter Weidenbach mit „Leda und der Schwan“.
Das hat, obwohl auch nicht gerade undüster, immerhin was Erotisches.
Sex mit Zeus in Form eines Schwanes – hm?!? Na ob das befriedigend war? Also so ein kleiner Schwanenp**** und dann legt sie auch noch Eier??? Na willkommen back in Alices Wunderland! Aber gut, schon ein schönes Bild, wenn auch ein alter Schinken von 1979.
Ich frag mich, warum die Menschen immer so an dem Alten festhalten. Das ist doch eigentlich langweilig.
„Och, das ist doch unsere schöne alte Musik von früher!“ „Machen wir doch eine Ü-irgendwas-Party mit unseren Hits aus den 80ern….“
„Leude, das alte HipHop Feeling von Früher war doch das Schönste!“ „Machen wir doch eine HipHop Party Ü…irgendwas!“ — Hä?!? Hey, verrennt Euch doch nicht in altem Zeug! Macht neu! Akzeptiert Neues! Bleibt nicht stehen! Stillstand ist der Tod! Heult nicht dem alten Kram hinterher! Hört auf langsam zu Asche zu verstauben! Sammelt neue Eindrücke, passt Eure Musik, Eure Gemälde, Eure HipHop Rhyme, Eure poetische Lyrik ans hier und jetzt an! Versackt und vor allem trauert nicht um alte, vergangene Vergangenheiten und Gefühle! Macht eine Party im Heute, springt über den „Ach, das waren doch unsere Zeiten“– Graben. Hop oder HipHop oder HopHop. Hauptsache einen schönen großen Sprung damit Ihr nicht ins Kaninchenloch der gewesenen Zeiten fallt.
Nicht das alte Feeling versuchen wiederzufinden und sich daran festklammern, liebes VSK1 und Rest der Welt. Nee, neues Feeling finden und genussvoll hineinspringen! – Ok, respektiert die Vergangenheit, !aber versackt nicht darin. Genießt die Gegenwart und die Zukunft!
Nagut, so drastisch und unwiederrufbar wie die „Medea“ von Dieter Weidenbach müssen wir das Alte nun auch nicht töten.
Das wäre dann doch etwas zu blutig und zu entgültig.
Schauriges Bild, was will der Künstler uns wohl damit sagen? Und wieso nimmt er sich sowas als Thema? Geht das jetzt wirklich um Rache oder darum das Alte loszuwerden um was Neues anfangen zu können?
Naja, ihr Blick ist schon entschlossen, aber auch nicht wirklich befreit. Nee, Leute, das ist zu drastisch. Das isses auch nich. Aber ps. trotzdem saugut gemalt.
Mit seinem Rußlandtriptychon kann ich nun nicht so sehr viel anfangen. Das liegt aber daran, dass ich im Moment nicht so sehr up-to-date bin mit der russischen Märchenwelt und der internationalen und nationalen Meinung dazu. Aber immerhin habe ich „Hammer und Sichel“ erkannt und den Herren dahinter würde ich als Teufel identifizieren. Vielleicht hat er ja die Finger im großen Spiel. Das mystische Einhorn schaut jedenfalls sehr böse zu ihm herüber. Alles sehr düster und ich denke zu dem Bild gäbe es ne Menge zu interpretieren, wenn Frau sich in dieser politischen Szene auskennen würde. Nee, ich glaube hier reicht mein Randwissen nicht um Weiteres darüber zu schreiben.
Dann gehe ich lieber mal weiter mit meinem schlechtem Gewissen der Unwissenheit, aber mit dem Vorschlag an den, der es besser wissen könnte, sich mal in das Bild hineinzuvertiefen.
Henri Deparade, komplett anderer Stil. Frage mich, was Sitte hier für einen Einfluss gehabt hat? Aber sehr faszinierend, der Gesichter- und Figurenmix im „Ödipus“.
Ok, das Bild sagt uns jetzt WAS genau über Ödipus? Dass er viele schizophrene Gesichterausprägungen hat, oder einfach nur viele unterschiedliche Gedanken und Meinungen und Daseinsformen?
Ja, sehr faszinierend, ja….
Ich glaube meine sehr kreative Interpretationsfähigkeit versackt gerade jämmerlich…. Ah! Der Peter Fox dudelt just in diesem Moment von meiner Playliste in mein Ohr mit „Schwarz zu blau“ und reist mich sehr dominant aus meiner Gedankenfindung zu dem Bild. Der Song ist einfach zu gut, als dass Frau es als Backgroundnoise hätte laufen lassen können. Naja, und weils mir gerade dadurch wieder in den Kopf kletterte –> R.I.P. Demba Nabé. UND weil die TL rasant drüberrauscht und letzendlich es keinen mehr als 5 Sekunden TL Lesestillstand interessiert, hier erwähnt für die Internetewigkeit in dunkler Traurigkeit mit den Worten „Es tut mir sehr Leid!“
„Die Verkündung“ scheint auch ein beliebtes Thema zu sein was sich in Bild fassen läßt.
Gerade erst bei Ruprecht von Kauffmann zur Offenbarung Überlegungen angestellt tapst es uns jetzt durch Frank Schult wieder über den Weg. Allerdings und natürlich in einer anderen Art und Weise.
Bei Herrn Kauffmann erinnert es mehr an Darwin und bei Herrn Schult mehr an James Watt oder vielleicht an den wackeligen Balanceakt zu Industrie 4.0 und Cyborg Menschen der Zukunft. Fast so wie der Marteria die Roboterenten im Park füttert2. Allerdings bei der fehlerhaften Industrie-Cyber-Automatisierungs-Internetverbindungsgeschwindigkeits-Entwicklung, wie wir sie im Moment haben, würden die noch pausenlos abgluckern.
Also was will der Cyborg auf dem Einrad uns nun verkünden?
„Macht weiter so und Ihr werdet untergehen wie Roboterenten an Eurer fehlerhaften Programmierung“ oder an „keine Verbindung zum Server im Moment! Versuchen sie es später wieder.“
Später: „Papa, kannst Du bitte die Pferde einspannen, wir müssen noch mal schnell in den Wald ein bisschen Holz holen und ein Reh mit Bärlauch für’s Abendbrot! Die Technik funktioniert grad nicht, der Server is down.“
***
„Hey Alice! Komm, wir gehen jetzt wieder in unser Wunderland nach draußen! Hier drin in der Ausstellungshalle bei dem Herrn Sitte ist gerade die böse Kartenkönigin aufgetaucht und mit der wollen wir nichts zu tun haben.
Die Grinsekatze sitzt auch schon draußen bei den Schmetterlingen und chilled in der Sonne……“
Ach, was für ein schönes Leben!
Eure Jana
1 – VSK = Das Verbales Style Kollektiv on Twitter @das_style
2 – Marteria mit „Endboss“