Als ich neulich mal wieder um die Ecke kam, sah ich eine Werbesendung einer Bank. Die Bank bietet ein Produkt an, bei dem man Geld bekommen und dann zurückzahlen kann. Bei einem anderen Produkt zahlt man das Geld erst und bekommt es später wieder. Das hört sich für mich an wie ich schnurre und werde dafür gestreichelt oder ich werde gestreichelt und schnurre dann.
Aber ist denn das ein Produkt?
Ein Produkt ist doch etwas, mit dem man etwas anstellen kann. Man kann es sich ansehen, es fressen, sich damit fortbewegen oder was auch immer.
Es ist ein Wert, der vorher geschaffen wurde. Umso mehr Werte man hat, desto reicher ist man.
Woher kommen die Werte?
Jemand schafft sie durch Arbeit. Oder eine Maschine, die durch Arbeit erschaffen wurde, schafft sie.
Was schafft also die Bank für einen Wert? Gar keinen. Was der Banker und Broker? Gar keinen. Was der Anwalt, der die Bank verklagt oder vertritt? Gar keinen. Was schafft ein Politiker? Nun, wenn er dafür sorgt, dass die Voraussetzungen zum Werteschaffen geschaffen werden, schafft er auch Werte. Das könnte dann auch für den Anwalt, der den Werteschaffenden vertritt, gelten. Und der Verkäufer? Solange das Produkt im Regal steht, nützt es nichts. Es muss dahin, wo es nützlich ist. So gehört der Verkauf mit zum Werteschaffen.
Wer schafft noch Werte?
Klar, da sind die Arbeiter auf dem Bau. Es kommt oft vor, dass diese Menschen nicht einmal einen Stuhl und einen Tisch oder einen warmen Platz zum Frühstücken haben. Keiner aber bedauert Blaumannträger. Hätten sie mal was Ordentliches gelernt. Dann könnten sie auch im Warmen sitzen. Haben die wirklich nichts Ordentliches gelernt? Viele von ihnen schon. Ohne deren Wissen und Erfahrung würde kein Bau in der geplanten Zeit mit annähernd den geplanten Kosten entstehen. Da können die Planer noch so gut sein, es funktioniert immer nur fast so oder so ähnlich, weil immer irgendeine Bedingung am Ende doch anders ist.
Die Planer schaffen somit natürlich auch Werte. Die Planer sind meist jung und wollen sich weiterentwickeln, sprich, mehr Geld verdienen. Manche werden dann Manager. Dann sind es welche, die wenigstens praktische Erfahrungen haben. Wenn sie nicht überfordert sind können sie dann immer noch Werte schaffen.
Wer sollte nun das meiste Geld verdienen? Normalerweise der, der am wenigsten ersetzbar ist, aber auch der, der sich am meisten einbringt.
Es gab mal einen Fall, da musste ein Elektriker, der zum Frühstück keinen Tisch hatte und auf einer Kabeltrommel saß und abends nicht nach Hause konnte, weil das zu weit weg war, in einem Treppenhaus Schalter und Abzweigdosen verdrahten. Das Geld, das er verdient hat war gerade halb so viel wie das eines Anstreichers, der allerdings aus dieser Gegend fern der Heimat des Elektrikers kam. Die anzuklemmenden Kabel dazu haben andere gelegt. Es gab dazu auch keine Pläne, mit sowas lapidarem gibt sich doch kein Planer ab, das macht doch der Elektriker live. Es wurde nur vorgeschrieben, wo welcher Schalter welche Lampe schalten musste. Es waren also etliche Dosen, und es schauten meist um die zwanzig, dreißig Drähte heraus, von denen man bei keinem wusste wo er hinging. Der Elektriker nahm sich einen Lehrling, hat die Kabel mit ihm durchgeklingelt, die Philosophie der Wechselschaltungen, Kreuzschaltungen, Treppenhausschaltungen und Ausschaltungen, die sich der, der die Kabel gezogen hat, einfallen gelassen hatte, durchschaut, und das ganze angeklemmt und es hat sogar funktioniert.
Geht man jetzt in ein Kaufhaus und schnappt sich die erstbesten tausend Leute darin. Wie viele von denen hätten das hinbekommen? Und wie viele hätten die Arbeit des Planer hinbekommen? Und wie viele die Arbeit des Anstreichers? Übrigens wurde der Anstreicher später beobachtet, wie er in einer Tiefgarage Zahlen für die Stellplätze mit Schablonen an die Wand gesprüht hat. Dabei war es geplant, die Schablonen nacheinander zu verwenden und erst alle Einsen, dann die Zweien usw. zu malen. Zum Glück war noch genügend Wandfarbe übrig. (Auch das sollten die tausend Leute mal probieren.) Blöderweise ging hinterher die Sprinkleranlage nicht mehr weil die Düsen zugeklebt waren.
Jedenfalls war es ein beträchtlicher Zeitaufwand für den Elektriker, die angefangene Arbeit erstmal zu verstehen um sie weiterführen zu können. Und dazu wäre mit Sicherheit bei weitem nicht jeder Elektriker in der Lage gewesen. Hätte der, der die Kabel gezogen hat, sie auch angeklemmt, hätte es den Aufwand nicht gegeben. Bezahlt wurde später auch nur das Anklemmen pro Dose mit einem festen Satz, der für eine Dose mit drei Kabeln angemessen war. Die Planer und Auftraggeber haben also doch alles richtig gemacht, sie hatten keinen Verlust dadurch.
Es wird manchmal gesagt, Zwinger, Frauenkirche und Taschenbergpalais (u.v.m.) in Dresden hat nicht August der Starke gebaut sondern die Arbeiter auf der Baustelle. Aber wer war hier austauschbar? Ohne August wäre das nicht entstanden. Mit anderen Architekten hätte das Ganze am Ende anders ausgesehen, aber gebaut worden wäre es trotzdem.
Wie austauschbar sind Manager? Oh, die wechseln mühelos von einer Branche in die andere. Scheinbar ohne Reibungsverluste. Sind sie also überbezahlt? Fakt ist, wenn ein Manager richtig Mist baut kann ein Konzern zu Grunde gehen. Gute Manager bringen sich als der ganze Mensch ein. Sie müssen mit ihrer Persönlichkeit auf Andere einwirken und auf verschiedenste Art und Weise die Ziele zum Wohle ihres Unternehmens erfüllen. Viele sind nicht überbezahlt.
Wer sind denn nun die Helden unserer Gesellschaft? Wer verdient den meisten Respekt? In wessen Fußstapfen wollen die meisten treten? Wer sind die Serienhelden im Fernsehen? Wer ist zuerst verzichtbar?
Wer ist am unverzichtbarsten? Na wer? Die, die dafür sorgen, dass ich mein Bäuchlein füllen kann. Und wie hoch ist die Landwirtschaft angesehen? Sie muss seit Jahren mit konstanten oder gar sinkenden Verkaufspreisen leben und wird für einen Skandal nach dem anderen kollektiv verantwortlich gemacht. Dabei werden die Katzen und auch Menschen auch dank der hohen Qualität der Lebensmittel immer älter.
Die Landwirtschaft sowie die anderen Wertschaffenden sind Teil der realen Welt. Die Finanzwelt dagegen ist virtuell. Dadurch, dass sie z.B. durch Kredite andere in die Lage versetzt, Werte zu schaffen, gibt sie sich selbst als wertschaffend und glaubt selbst sogar noch, Produkte herstellen zu können. Wohl oder übel hat sie tatsächlich Einfluss auf die reale Welt.
Würde es aber kein Geld geben, könnten die Wertschaffenden sehr gut ohne sie auskommen. Genauso gut könnte der Staat auf die Idee kommen, Geld einfach zu verschenken, so dass keine Kredite gebraucht würden. Klar funktioniert das nicht so einfach, aber um Werte zu schaffen ist in jedem denkbaren System der Bauer, Elektriker, Planer und Anstreicher absolut notwendig, die Bank nicht! Manager und Aufsichtsratsvorsitzende in dieser virtuellen Welt müssen sich nicht mit Physik und Naturgesetzen rumschlagen. Leider vergessen sie deshalb offenbar, dass es das gibt.
Man kann mit Macht Gesetze ändern oder Menschen unter Druck setzen, sie zu allem Möglichen zwingen, aber eben nicht zu Unmöglichem.
Ein guter Manager oder Politiker sollte sich aber des Vorhandenseins von Naturgesetzen bewusst sein, und wenn der Umgang damit notwendig wird, jemanden fragen, der sich damit auskennt. Um diese Notwendigkeit zu erkennen muss er nicht Physik studiert haben, aber es ist wahrscheinlich hilfreich.
Laut Spiegel hat aber genau das am Berliner Flughafen offenbar nicht funktioniert. Anstatt eine erfahrene Firma den Flughafen bauen zu lassen, die sich mit Wertschaffung auskennt, war ein Aufsichtsratsvorsitzender der Meinung, er könnte den komplexen Bau selbst leiten.
Die physikalisch bedingten Folgen der ständigen Planungsänderungen werden folgerichtig völlig unterbewertet.
Man konnte die Leute an der Spitze des Projektes dann leicht ersetzen und war der Meinung, man könnte das auch mit der Planungsgesellschaft, die offenbar als Sündenbock mit herhalten musste. Diesmal konnten die dadurch entstehenden Mehrkosten aber nicht einfach auf jemand abgewälzt werden wie bei dem oben erwähnten Elektriker, der das verloren gegangene Wissen neu erwerben musste.
Der Mann, der das einzig richtige tat, nämlich das Wissen durch „Baustellenarchäologie“ neu zu erwerben und somit in der realen Welt etwas zu erreichen, wurde dann durch einen neuen Manager kurzerhand gefeuert. Dieser Manager hat zu Beginn seiner Tätigkeit auf dem Flughafen Leute von Beratungsfirmen eingestellt, die eine Kommunikationskampagne starteten, die „mit dem Bau und seinen Problemen nichts, mit Storytelling und Image aber viel zu tun hat.“ Sein „Team hat wenig bautechnische Kompetenz, es sind Juristen, Betriebswirtschaftler, da ist kaum einer dabei, der Kabel ziehen könnte oder wüsste, wie eine Sprinkleranlage funktioniert.“ (Zitate Spiegel Nr.34 2017)
Sozusagen lauter Leute aus der virtuellen Welt. Das Resultat ist hinlänglich bekannt.
Verstehe einer die Menschen.
Miau