Ja da freut es mich doch, dass das Anhaltische Theater Dessau nicht „Halt“ ruft, sondern mit seinem phantastischen und ideenreichen Verdirepertoire auch in diesem Jahr weiter macht.
Genauso exquisit und blutigrot wie Mrs. Bridges schottische Kirschmarmelade war diesmal auch die Premiere des schönen schottischen Stückes Macbeth in Vertonung durch Giuseppe Verdi. Obwohl ich bei manchen Noten in diesem Fall nun wiedermal überhaupt nicht mit Herrn Verdi übereinstimme, und dem würde mir sicherlich auch Meister Shakespeare zustimmen, war das blutige Spektakel des Anhaltischen Theaters doch sehr sehens- bzw. hörenswert. Schon die Idee allein, Verdis Macbeth auf die anhaltischen Bühnenbretter zu bringen, lockte in mir ein gewisses Frohlocken hervor, aber die düstere Umsetzung durch Felsenstein & Co. brachte es zum Höhepunkt. Genauso könnte ich mir einen Macbeth schon vorstellen. Es war nicht neu – ich kenne da schon ein paar ähnlich gelagerte – aber es war echt und mitreißend und ich wusste schon beim ersten Blick auf das Bühnenbild und den Besetzungszettel, dass es ein gelungener Abend werden würde. Die musikalische Untermauerung würde sowieso gut werden, das garantierten schon Golo Berg und seine Anhaltische Philharmonie und natürlich auch Wolfgang Kluge, der für die Einstudierung zuständig war und auf den ich auch große Stücke halte.
Diesmal und so mitten am Sonntag, dachten wir, gehen wir doch vorher gemütlich und angemessen ins Pächterhaus in Dessau essen. Da ich mich vorher noch der Öffnungszeiten auf deren Website vergewisserte, dachten wir, wir konnten es wagen schon 17.00 Uhr eine geöffnete Gaststädte vorzufinden. Dem war auch so – ursprünglich, bei unserem letzten Besuch – leider hatte es sich in den paar Monaten schon wieder geändert, und diesmal fanden wir die Info vor der Tür, dass sie nun doch erst 18.00 Uhr Einlass in den Gourmettempel gewährten – jammerschade, bis 18.00 Uhr konnten wir nicht warten und uns blieb leider nichts anderes übrig, als der Grieche um die Ecke…. naja… ich hätte doch lieber wieder das Pächterhaus. Das Kornhaus wäre ja auch eine Option, aber da weiß man, so als Restaurantkenner, dass die nicht die Schnellsten sind und somit die Möglichkeit nicht ganz so fern liegt, dass man (und Frau) das Dinner erst nach den ersten Bergschen Takten bekommen würde und das wäre wiederum untragbar für Seele und Geist. Naja, dann wollen wir mal hoffen, dass das nur die Winteraktion des Pächterhauses war und wir den nächsten Anhaltischen Veranstaltungen wieder ordentlich gesättigt beiwohnen können.
Wir dachten sogar schon, genau wie Herr Oberbürgermeister Klemens Koschig, der wie es aussieht die kulinarischen Gegebenheiten in Dessau sehr gut kennt, den kulinarischen Verführungen der Theaterkantine zu verfallen und uns ein knackiges Würstchen mit belegtem Brötchen zu gönnen, aber der Grieche lag nun mal auf dem Weg und wir kämpften uns mutig voran für einen griechischen Salat und Gegrilltes mit Metaxasauce… leider sind heutzutage die Griechen auch nicht mehr das was sie früher waren… auch sie haben modern und zeitgemäß ihre Prozesse optimal optimiert und die Qualität für sie preisgünstig heruntergefahren und somit nix mehr mit gutem griechischem Salat und Metaxasauce. Aber gut, der Magen ward gefüllt und stand nun nicht mehr knurrend dem Opernvergnügen im Weg. Ein Glas griechischer Wein neutralisierte den Inhalt und umwob die griechische Küste mit sonniger Wärme. Nichtsdestotrotz zog es uns leicht schwankend auf die andere Seite Europas zum schottischen Lande und zu dessen diversen Königen des 11. Jh.
Da gab es z.B. einen gewissen Herrn Duncan Nr. 1, den wir diesmal leider nicht näher kennenlernen durften, denn in unserem kleinen Geschichtsquerschnitt schied er alsbald durch die Hand seines Getreuen Macbeth unter eigennütziger Mithilfe dessen Frau und eines Dolches schon nach den ersten Takten aus dem Leben. Die Dolchverführung auf der Bühne war brillant dargestellt und Ulf Paulsens Dolchschwung passend zur Musik war ein gekonntes Feature der Inszenierung.
Von der Story her hat der gute Shakespeare schon ganz schön seine Phantasie spielen lassen und Macbeth einiges in die Schuhe geschoben. Schön für uns, denn dadurch wird die Story schon mal recht spannend. Sonst war Herr Macbeth ja eher ein friedlicher Bursche und sorgte für Recht und Ordnung in seinem schottischen Lande. Die jeweiligen Machtübernahmen liefen eigentlich reibungslos und ganz ohne Hinterhältigkeit und vor allem auch nicht nachts, aber evtl. schon mit soviel Blut, wie gezeigt, ab: Macbeth tötete Duncan I in einer Schlacht, blieb dann ca. 10 Jahre an der Macht, bis er durch MacDuff im Gefolge Duncans Sohnes Malcom III getötet wurde. Also es bleibt schon irgendwie alles in der Familie und Herr Banquo wird hier überhaupt nicht erwähnt….
500 Jahre später griff Raphael Holinshed die Geschichte in seiner Chronik wieder auf und drehte dem Macbeth einen Strick um den eigentlich friedlichen Hals. Shakespeare ergriff den Strick, verfiel in einen Blutrausch und kreierte ein Gemetzel von der ersten bis zur letzten Szene – hmmm – wer weiß da jetzt noch, wo die Wahrheit letztendlich liegt. … aber mal so ganz davon abgesehen, ob wahr oder nicht, das Stück ist schon ein wahrer Hammer. Ich finde, auch wenn ziemlich wenig Handlung, eines der besten von Shakespeare.
Johannes Felsenstein ließ es dann auch mächtig tropfen, sicherlich ganz im Sinne Shakespeares und Stefan Rieckhoff passte exquisit Kostüme und Bühne daran an. Zwar fand ich schon Sean Bean als Macbeth mit kurzen Haaren und Samantha Bond bis jetzt am besten, aber Ulf Paulsen und Iordanka Derilova gaben auch ein hervorragendes Paar ab. In Erscheinung als auch in Stimme.
„Kommt, Geister, die ihr lauscht auf Mordgedanken, und entweibt mich hier; Füllt mich vom Wirbel bis zum Zeh, randvoll, mit wilder Grausamkeit!.“**
„Dass alle künft’gen Tag‘ und Nächt uns lohne
Allein’ge Königsmacht und Herrscherkrone.“**
Hinter einem starken Mann, steckt immer eine starke Frau – in unserem Falle hier, hat er ihre Stärke leider nicht so gut verarbeiten können. Indira Derilova konnte ihrer Stärke sehr gut Ausdruck verleihen und Ulf Paulsen spielte den hörigen Mann sehr respektvoll mit einer hervorragenden Mischung von Macht, Stärke, Schwäche, Untergebenheit und Wahnsinn. Die Philosophie kam ausgezeichnet rüber….. Stärken, Schwächen, Gefahren und Möglichkeiten…. nur leider kamen die Möglichkeiten dann doch etwas zu kurz und die Gefahren bekamen die Oberhand (zumindest für einige der hier handelnen Personen) – SWOT im wahren Leben und das schon im 11. Jh. Aber ich wollte ja nicht in die Betriebswirtschaft abdriften, sondern bei Kunst/ Kultur bleiben, wo man noch geteilter Meinung ist, ob sich das verträgt oder nicht.
Die Kunst und Kultur kam in diesem Stück nicht zu kurz. Die Anhaltische Crew agierte meisterlich.
Verdi musste von den 3 Hexen wohl sehr beeindruckt gewesen sein, so dass er sie gleich versechsfachte und das ganz zu unserer Freude, denn der Anhaltische Chor mit Strickzeug und CO2 Schnee („Wirbelt durch Nebel und Wolkenhöhn!“***) versetzte die Stimmung im Saal schon gleich zu Anfang in eine Macbethatmosphäre. Nach näherem Nachzählen wurde sogar festgestellt, dass 9 von 19 Hexen stricken konnten und der Rest nur Zuarbeiter waren.
Nachdem Macbeth sein Schicksal durch die Hexen und weiterführenden geisterhaften Erscheinungen erfuhr und in weiterer Handlung erfährt, sah er sofort freudig seinem zukünftigen Siegeszug entgegen. Die lebenswichtige Information hier und unbedingt zu beachten, ignorierte er allerdings:
„Sei blutig, kühn und frech; lach aller Toren!
Dir schadet keiner, den ein Weib geboren.“****
Herr Macbeth schenkte dem zwar Gehör, aber doch eher wenig Beachtung, da unmöglich in his schottisch mind.
Trotz der über dem ganzen Geschehen wachsam wachenden riesig beängstigenden Augen der Lady Macbeth, wurde dieses wichtige Statement ignoriert. Sie blickten beängstigend auf uns hernieder und nur der Zwischenschauplatz der Bühne, welcher ihre Nase verdeckte, passte nicht so ganz in das Bild. Entweder hat das Geld für die Verkleidung nicht mehr gereicht, oder der Bühnenbildner hat sich etwas dabei gedacht.
Später dann zum Fest im Schloss vor blutigem Hintergrund und hübschen rotem Kleid, wurde dann auch bald der nächste Mord initiiert. Zwar nicht von eigener Macbethhand, da doch mehr oder weniger befreundet, aber wohl durch eigenen Anstoß. naja, und dann …u.s.w…. u.s.w….. und so schieden die verschiedensten Haupt- und Nebenrollen dahin, bis auf MacDuff, der Glück hatte, dass er durch Kaiserschnitt auf die Welt kam und somit Macbeth besiegen konnte. Wo mir Pieter Roux damals als Schillers bzw. Verdis Räuber sehr gut gefiel fand ich zwar hier seine Stimme wieder super, aber MacDuffs Erscheinung und Maske….. naja, irgendwie…………… putzig…… hm.
Nagut, letztendlich gab es viele Leichen und noch viel mehr Blut, die wichtigsten Personen werden verrückt und sterben, nur MacDuff einigt sich dann mit den anderen drein (ja klar) auf Einig- und Friedlichkeit.
Das Ganze ein sehr schön gelungener Macbeth mit Verdischer Musik, mit der ich zwar nicht immer einher gehe, aber wer fragt da schon mich. Herr Verdi wird sich schon etwas dabei gedacht haben.
Auf alle Fälle empfehlenswert.
Eure Jana
*William Shakespeare, Macbeth, Fünfter Aufzug, 7. Szene
**William Shakespeare, Macbeth, Erster Aufzug, 5. Szene
***William Shakespeare, Macbeth, Erster Auszug, 1. Szene
****William Shakespeare, Macbeth, Vierter Auszug, 1. Szene