Ich wurde im Vorfeld auf die Veranstaltung neugierig gemacht, da sie in Zusammenarbeit mit Studenten der Burg Giebichenstein entstanden ist und Virtual Reality darin vorkommen sollte. Bei der Raumbühne gilt für mich ohnehin der Slogan: „Erwarte das Unerwartete“, aber hier ausschließlich in positivem Sinn. Da wir ein Kind dabei hatten, wurden wir beim Kartenkauf auf den Rang gesetzt, unten für Kind ungeeignet. Wow.
Ok, wir waren dann da und ich konnte mir leider nach Bezahlung von Garderobe samt Kindersitz keinen Wein mehr leisten. Deshalb musste ich mir die Bilder des Kunstverein Halle Böllberger Weg 188 im Foyer nüchtern betrachten, weshalb ich mich dazu auch nicht äußere.
Kurz vor Beginn wurden wir dann in den ersten Rang gelassen, wo allerdings potentielle Zuschauer den Verkehr aufhielten, die sich reindrängen mussten, weil sie nicht mehr unten sitzen wollten. Drin hatte ich einige Mühe, den Raum mit meinen Erinnerungen an die Oper in Einklang zu bringen. Es mussten etliche Sitzreihen demontiert worden sein, Teile des Ranges waren zu Bühne umgearbeitet worden, eine Treppe führte nach unten. Das Orchester saß unten vor der eigentlichen Bühne und davor waren auch keine Sitzreihen mehr. Dafür gab es Zuschauer auch um die eigentliche Bühne herum, es gab da eigentlich keine Grenze zwischen Zuschauern und Bühne. Und was gab es noch? Affen! Überall liefen Affen umher, selbst die Zuschauer unten hatten teilweise Affenkostüme an. Es waren die üblichen Geräusche zu hören, die man von einer Herde Affen so erwartet. Ausserdem waren überall Monitore und Leinwände installiert, auf denen ein Bild flackerte wie auf einem Röhrenfernseher bei schlechtem Westempfang. Zuerst glaubte ich, beim eigentlichen Vorhang, der jetzt die Bühnenmitte bildete, eine durchsichtige Leinwand zu sehen, wie sie hier bei Fidelio schon mal verwendet worden war, das hätte vielleicht noch einige Effekte erzeugen können, war aber nicht.
Die Musik begann und hat mir sogar richtig gut gefallen, was ich von Verdi eigentlich nicht gewohnt war. Das Orchester konnte man gut sehen, das war wohlverdient. Und dann sang auch ein Chor, aber da war gar keiner! Wo kamen denn die Stimmen her??? Spoiler: Die Affen waren in Wirklichkeit der Chor! Und die machten das richtig gut! Übrigens hat mir die Musik bis zum Ende einfach nur hervorragend gefallen. Geplant war eigentlich, dass ich sie in Kauf nehme und ertrage, um den Rest der Performance sehen zu können.
Das Affentreiben hatte mich sofort an Stanley Kubrick’s 2001:Odyssee im Weltraum erinnert. Und tatsächlich: Der Monolith kam in Form einer Coladose, den ein Affe bei einem Skelett fand, und ein Knochen wurde nun als tödliche Waffe eingesetzt und die Dose wechselte ihren Besitzer.
Der Neubesitzer mit dem Knochen wurde nun Anführer und die Herde wurde durchorganisiert und begann nun selbst die industrielle Colaproduktion. Nun wohl doch eher Planet der Affen.
Doch woher sind die Affen gekommen? Um das zu erfahren musste man die Texte auf den Monitoren lesen, wobei man eben schlecht die Handlung auf der Bühne verfolgen konnte. Man war schon gewohnt, dass die Wirtschaftsbosse ihre Vernunft abgelegt hatten und sich wie Tiere aufführten, doch ab 2018 passierte das auch in der Politik. Die Monitore zeigten Prügelszenen aus Parlamenten. Die Unvernünftigsten und wildesten waren die Erfolgreichsten, und die entwickelten sich nun zu Affen. Da alles auf Effektivität getrimmt ist, ging die Verwandlung schnell vorwärts und wurde zur Seuche. Man fand kein Serum dagegen. Bald hatte sich ein Drittel der Menschheit in Affen verwandelt. Interessant, wie die Handlung emotional perfekt zur Musik der Totenmesse passte. Ein einfacher Soldat sollte eine Bombe auf die Affen werfen oder die Entscheidung dazu, weiss nicht mehr genau, nur, dass er desertierte. Immer die Kleinen sollen die Drecksarbeit machen. Menschen fragen nun, warum denn das Projekt toter Affe gestoppt worden ist. Das war nun Bühnenhandlung. Die Affen marschierten nun mit Fahnen, Nationalsozialismus oder auch Sozialismus. Dann zogen sie es vor, unter sich zu sein und bauten einen Zaun (Kommentar auf dem Monitor: Keiner hat die Absicht, einen Zaun zu bauen) in Höhe des Vorhangs. Dazu wurde eine Rede auf äffisch gehalten, die Übersetzung musste man lesen. Sie waren irgendwie nicht so wirklich böse auf die Menschen, aber manchmal sind die eben auch kriminell und üben schlechten Einfluss aus, weiß nicht mehr so genau. Dazu wurden die Zuschauer im Affenkostüm hinter den Zaun und die von dahinter ohne Kostüm vor den Zaun platziert. Irgendwann standen die Affen dann auch mal in Reih und Glied als Chor da, wenn dieser dran war, und sangen wunderschön. Das passte sowas von gar nicht dass es schon wieder faszinierend war.
Die Menschen fanden nun den Zaun wieder nicht so toll und ein Soldat sollte wieder entscheiden, ob er eine Bombe abwerfen solle. Eigentlich wollte man die Affen ja in Menschen zurückverwandeln, aber das klappte eben nicht. Als Entscheidungshilfe zum Bombenabwurf wurde ein Simulationsprogramm gestartet, was auf den Monitoren verfolgt werden konnte. Ein Zuschauer (denke ich) hatte eine VR Brille auf und sollte wohl den bedauernswerten Soldaten darstellen. Es wurden verschiedene Szenarien durchgespielt, die alle nicht so gut ausgingen.
Am Ende wurden Herzbomben auf die Affen geworfen und diese wurden niedergestreckt. Dann fuhr die Bühne hoch und lauter Menschen einheitlich in weissen Kostümen mit blonden Haaren waren jetzt da, der neue Mensch war geboren. Dazu gab’s ein Abendmahl und alle waren aufgerufen, sich einen Becher Rotwein abzuholen. Feierlich umrahmt von Lobsprüchen auf den neuen Mensch, wie gut der ist. Die Affen waren mir da schon fast lieber.
Naja, lange ging es dann auch nicht so gut. Der schnöde Kapitalismus gewann dann doch wieder die Oberhand indem er einen neuen Monolithen schickte: Das Smartphone. Die Szene ähnelte nun wieder der mit der Coladose, doch diesmal gab es immerhin keine Toten.
Ja, da wurde nichts ausgelassen, was man irgendwie da reinpacken konnte, und es war spannend bis zum Schluss.
Ist es nun angemessen, ein so ernstes Musikstück wie diese Totenmesse für so ein Affentheater zu benutzen? Würde sich Verdi im Grab rumdrehen? Als ich darüber nachdachte fand ich eine ganz einfache Tatsache: Die Musik ist dazu da, uns zu gefallen und nicht umgekehrt.