…. aus der MIG21 auf die Raumbühne der Oper Halle…. und Ishtar die Göttin für Sex und Krieg wandelt traurig auf der Bühne umher, weint um ihre blutende Heimat und begräbt das Licht der Erleuchtung unter rieselnden Quarzteilchen. Och nee, Leute, nicht schon wieder Sex und Krieg. Das scheint mich hier permanent zu verfolgen… dieser Zeitgeist spukt überall herum und ich will hier jetzt nicht wieder mit HipHop/ Rap ff anfangen, wie in den letzten Texten. (ps. Würde aber wieder wie Faust auf Auge passen… von wegen, kein politisches Lied mehr, Herr Böhmermann) ….
DAUERND, aber auch dauernd komme ich immer wieder auf dasselbe Thema. „Die namentliche Pluralform ištaratu bezeichnete den Begriff der Weiblichkeit.“1 Auch das noch, wo wir doch gerade mit den Nibelungen über starke Frauen nachgedacht haben. Jetzt hammers schon wieder auf dem Table. „Die Göttin aller Göttinnen genannt, die Herrin aller Häuser, die Führerin des Menschengeschlechts, die größer ist als alle anderen Götter. Ihr Wort ist stark, und ihr Name ist stark.“…. „Alle Menschen verehren ihren Namen, nirgends ist ihr Kult unbekannt.“1 Verehren wir Sex und Gewalt – hä? Wie schon geschrieben, manchmal denkt Frau, wir warten nur auf dementsprechende Ereignisse um unsere dekadente abendländische Langweile zu vergessen: „Lang lebe der Tod“2 – mal wieder.
Dreht sich alles im Kreis, kommt immerwieder zurück auf die selben Themen. Hundertmal durchgekaut, umgedreht, quergelesen, widerlegt, wieder hervorgeholt, verurteilt und trotzdem geliebt? Hä? „Geht das nicht auch anders“?3 Warten wir, bis die Welt sich von allein ändert? Zeigen wir uns immer wieder und immer nur den Spiegel, schauen rein und sagen – ja, so isses, …. nächstes Stück, nächster Zeitgeistsong, nächstes kritisches Gedicht, nächstes Gemälde und noch mehr Lang-lebe-der-Tod-Fotos?
Hmmmm…. Steht hier nicht eher die Frage im Raum: Was zur Hölle können wir tun? …. Und vor allem wie geht das anders? Wie packen wir es an? Wir bewegen uns immer nur am Ausgangspunkt…. an der Kritik der Situation, die wir jetzt in der Welt haben. Was sollten wir tun? Bauernaufstand? Bürgerkrieg? Freiheit für Katalonien? Vielleicht hilft es immer wieder die Missstände auf den Tisch zu kippen… ja, unbedingt…. vergessen sollten wir das nicht. Aber immer wieder befinden wir uns am Startpunkt der Misere. Was ist jetzt der nächste Schritt? Treten wir dauernd in den Sand, rutschen wir dauernd den Sandberg wieder runter in ein Loch von Treibsand? Ist es immer wieder dasselbe, wiederholt sich die Geschichte immer wieder aufs Neue? Von Teil I zu Teil II des Spieles im Sand? Von der „fundamentalistischen Seite des Islams in Gestalt des IS“4 bis hin zum „Andalusien um 1936 mit seiner paramilitärischen Guardia Civil“4. Das Stück, die Oper, die Erzählung, die Musik, die Installation… keine Ahnung, was das war. Sagen wir mal das Projekt, was uns die Oper Halle in einer Kooperation des Impuls-Festivals für Neue Musik in Sachsen Anhalt und dem TARKIB Baghdad Contemporary Arts Institute in brillanter Weise unter die Nase gehalten hat war wie ein kleiner Spiegel der Geschichte.
Sie haben sich mit zwei Themen aus dem geschichtlichen Weltgeschehen näher beschäftigt, die beide auf dem ersten Blick eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Eines, was uns jetzt sehr beschäftigt, da gerade gegenwärtig und eines aus vergangenen geschichtlichen Erfahrungen…. oder doch nicht so vergangen, die alten Erfahrungen, die Europa unter General Franco gesammelt hat? Ob sie wussten, als sie das Projekt starteten, dass Spanien noch mal ganz aktuell und ganz dicht an alte Erinnerungen herankommen wird? „Das Musiktheater ‚Spiel im Sand‘ geht der Frage nach, inwieweit sich Geschichte wiederholt, …“ 4
Macht, Populismus, Terror…. Lasst uns im Sand spielen gehen und uns mit der Schaufel die Köpfe einschlagen! Immer und immer wieder. Lasst uns immer wieder mit dem Teufel tanzen und „natürlich darf geschossen werden“5. Und „mit etwas Glück sterb‘ ich bald in einem Krieg“.6 Lasst uns zu Ishtar beten – damit sie dann traurig unser Schicksal bedauern kann…. Steigen wir in den Sandkasten und zerstören wir unsere schönen Sandburgen, damit wir den Sand durch unsere Finger rieseln lassen können. Das fühlt sich so schön an. Dann kippen wir ein bisschen Tränenwasser drauf, nehmen die Schippe und bauen schöne neue Sandburgen. Die können wir dann wieder platt machen. … soviel also zur Wiederholung von Geschichte. Willkommen im Sandkasten!
Eigentlich stellt sich hier keine Frage mehr inwieweit sich die Geschichte wiederholt – hä? Das ist ja nun wirklich das Einzige, was quarzklar immer wieder in unsere Augen geweht wird. Dummerweise beeinträchtigt das auch die Sicht. Bis wir das Zeug wieder rausgerieben haben, stehen wir schon bis zu den Knien drin. UND somit stellt sich nicht die Frage auf Wiederholung, sondern eher auf „Wie kommen wir da wieder unbeschadet raus?“ und „hoffen wir mal, das es kein Treibsand ist!“ Horray liebe Welt der Trump-Yong Un-Putin-Rajoy-Puidgemont-Erdogan-Gauland-Zeit! Endlich ist es mal spannend im Weltgeschehen, damit WIR nicht einschlafen hier oben.7
Wie gut passt doch die Uraufführung „Spiel im Sand“ der Oper Halle in das schöne interessante jetzige Weltgeschehen hinein. Als die Dramaturgin Dr. Jeanne Bindernagel ihre erstklassige Einführung zum Stück gab dachte ich neben ‚Das ist aber eine interessante Persönlichkeit‘, auch ‚ok…. und wie passt das jetzt alles zusammen? Syrien und spanischer Bürgerkrieg? Hä?… und wieso Spanien?‘.
Es war gut, sich die Einführung anzuhören, oder wenigstens das Programm zu lesen, um das Stück zu verstehen. Ich denke, sonst würde man sich doch sehr wundern, was der 2. Teil zu bedeuten hat und versuchen den irgendwie als Fortsetzung des Ersten zu sehen…. Und man könnte ihn dann so garnicht zuordnen, weil man nicht weiß, wie die Uniformen und die spanischen Fahnen zum IS passen. Weil man ja auch nicht weiß, dass der IS immer noch Anspruch auf Spaniens Süden „El Andaluz“ ausweist4.
Ok, vielleicht passt deswegen so ein Weitsprung nach Spanien irgendwie in den Rahmen dieses Projektes, auch, wenn es eigentlich keinen Anspruch darauf hegt. Hier sind die zentralen Themen Macht, Populismus und Terror und die in einer grandiosen Weise durch Handlung und Spiel der einzelnen Akteure veranschaulicht. Die Rhythmen (Musik von Leyan Zhang) des ersten Teils, vor allem das Stampfen der beiden Akteure (Bassim Al Tyaeb und Mohammed Ayad) ließen den Boden unter den Zuschauersitzen der Raumbühne erzittern und irgendwie bei mir ein komisches Gefühl im Magen zurück. Da kroch ein Unwohlsein hoch, dass man nicht haben wollte, aber trotzdem irgendwie eine komische Faszination in einem hervorrief dem Geschehen weiter folgen zu wollen. „Lang lebe der Tod“2.
Die Raumbühne war perfekt für so eine Aufführung. Alles war so nah und gab somit ein beängstigendes Gefühl zurück, was eigentlich sagt, nein, diese Welt ist nicht unsere. Das ist ein anderer Planet und ich will hier weg. Natürlich war man sich bewusst, dass das hier nicht die Wüste am anderen Ende der Welt ist, sondern die Oper in Halle, aber die Akteure des Bühnengeschehens (additional zu oben schon erwähnt noch Amadeu Tasca und Martin Häßler) brachten einen dazu sich schon sehr dahinein fühlen zu können. Die Sprache, der Mix aus Englisch, Deutsch, Arabisch und Spanisch war nicht in jedem Fall zu verstehen, aber die Handlung war unmissverständlich und einfach nachvollziehbar. Wie Populismus und Macht wirken war eindeutig und glasklar dargestellt. Martin Häßler war so überzeugend in seiner Rolle, dem habe ich alles abgekauft. Unglaublich, wie das passte. Überhaupt waren die Mitwirkenden im internationalen Ensemble Spitzenklasse. Die waren absolut charismatisch und präsent in Ihrer Erscheinung. Eigentlich war es eine Ehre für Halle, die alle hier sehen und hören zu dürfen. Keine Ahnung, wie Hans Rotman es geschafft hat solch ein Projekt hierher zu bringen. DAS war eine große Bereicherung für uns. Überhaupt ist das Impuls Festival für neue Musik eine Bereicherung für unsere Gegend. Ich bin froh, und auch, wenn’s altmodisch klingt, stolz auf unsere Theater- und Musikszene, die so saugut ist hier in Halle und dem Rest meines Einzuggebietes und kann überhaupt nicht irgendwelchen Ausführungen vom Spiegel zum Buch „Klassikkampf“ von Berthold Seliger beipflichten. Aber gut, ich bin auch kein Experte der Szene. Vielleicht liege ich ja völlig falsch.
Zum zweiten Teil passend, war die Musik (Hans Rotman) ein bisschen vielschichtiger und Frau durfte die Wahnsinnsstimmen der Sänger (Julie Martin du Theil, Amadeu Tasca, Martin Häßler) genießen, also wirklich, selten so gute Stimmen gehört – oder war das jetzt einfach nur wegen der Nähe in der Raumbühne? Also ich war total geplättet. Hätte zum Schluß am Liebsten „NOCHMAL“ gerufen.
Das Spiel mit der Macht. Kommen und gehen. „Du bist nur der größte Hai in deinem kleinen Teich – Doch es kommt stets ein größerer, besserer, stärkerer, cleverer Hai“8
Warum ist Macht so ein geiles Gefühl? Welcher Hai zieht die Fäden in Politik, Wirtschaft, Kultur und der Familie und beißt die kleinen Fische in den Schwanz zum schneller Schwimmen? … und die Großen in die Kehle bis das Blut ordentlich spritzt? Ein Katerkampf ums Revier und um die knappen Ressourcen – Miau – und das Volk weint um die schöne Heimat und rennt dem größten Kater hinterher, der, der den besten Populismus praktiziert. Die Menschheit braucht immer einen Idolkater um zur Stadtguerilla zu werden. „Andere Bands haben Fans, wir haben eine Stadtguerilla“5.
Die Fahnen im „Spiel im Sand“ wechselten mit der Macht und die Musik untermauerte jeden Charakter mit ihren speziellen Tönen. Der Einzug der Violine in das Geschehen war absolute Spitzenklasse. Die Töne waren so klar und so gut gespielt von Diana Zaviryukha das Frau da einfach nur gespannt zuhören konnte. Sie brachte die „Freiheit, das Poetische und Rebellische“4 in die Szene zusammen mit dem Fremden.
Als er von der Diktatur gefragt wird, wer er sei, sagte er „ich“. Hieß das jetzt „Ich bin das Volk“? Er trug die Farben der zweiten spanischen Republik und konnte nichts machen, als ein erneuter Farbwechsel anstand. Die Macht spielt im Sand, das Volk bekommt Prügel und Ishtar singt ihre Weise wie immer. Übrigens auch sehr schön dargestellt und gesungen von Azalee Thayer.
Was soll jetzt die Frage zur Wiederholung in der Geschichte gleich nochmal?
Eure Jana
1 – Wiki your Friend
2 – Casper mit „Lang lebe der Tod“
3 – „Geht auch anders“ – Künstlerinitiative für eine mutige Politik
4 – aus dem Programm zu „Spiel im Sand“ vom 11. Oktober 2017 (Laureline Michon, Astrid Vehstedt)
5 – Antilopen Gang mit „Das Trojanische Pferd“
6 – Zugezogen Maskulin mit „Was für eine Zeit“
7 – K.I.Z. mit „WIR“
8 – Prinz Pi mit „Kompass ohne Norden“