Erwartet Ihr hier jetzt einen Jahresrückblick?
Etwa um das Gelabere, womit wir die ganze Zeit schon zugemüllt werden, noch mal als Zusammenfassung zu lesen? Ich würde sagen, dann macht doch einfach mal das Fernsehen an oder besser holt Euch ne Tageszeitung vom umweltfreundlicheren Kiosk um die Ecke.
Aber vielleicht kuschelt Ihr Euch auch einfach zusammen mit
Euren Social Media Kommunikationsmitteln oder Ihr träumt Euch mit Eurem überaus
gutaussehenden volloptimierten Avatar in virtuelle Welten. (ps. Hier bitte
Minecraft ausschließen…. wegen der „Volloptimierung des Aussehens des Avatars, ganz
und gar nicht wegen dem Creativ-Welten-Bau-Spaßfaktor)
Da gibt es so sehr viele unendliche Möglichkeiten, dass es einem ganz schwindlig
wird und man gar nicht weiß, welche App denn nun die Angesagte ist.
Auf alle Fälle nicht Facebook!
Das geht jetzt gar nicht mehr! Die verbreiten unsere Daten zusammen mit WhatsApp und uns selber um die ganze Welt und verdienen damit unerhört viel Geld, so dass sogar Frankreich sauer ist und Steuern verlangen möchte auf diese unerhörte Frechheit und obendrauf gibt es noch eine hübsch ausgebaute Datenschutzgrundverordnung, die Ihr hoffentlich alle kennt?
Leudde, DAS sind Eure Rechte, ob Ihr die haben wollt oder nicht. UND! Bitte nicht dauernd und ungelesen die ganzen Datenschutzpopups wegklicken!
Hey, da haben sich Leute echt Gedanken drüber gemacht, also, Gedanken, wie man Euch schützen könnte, also am besten vor Euch selber. Warum lasst Ihr nicht einfach das Surfen im Internet?
Macht mal etwas Umweltfreundliches!
Schmeißt Euren SUV weg. Greta wird’s freuen. UND! Schlachtet Eure Kühe. Die pupsen viel zu viel Umweltschaden in die Welt. Aber nicht essen, rotes Fleisch ist schädlich! Hühner wären da besser, die haben weißes Fleisch. Aber Ihr könnt auch zum Vegarismus übertreten und Euch von Avocado und Flugmangos ernähren, zusammen mit Tofu und geeigneten Eiweißprodukten. Damit Ihr ordentlich Kraft für die sportliche Optimierung verspürt.
ABER! Nicht am Neujahrslauf teilnehmen.
Ihr wisst ja, Feinstaub liegt in der Luft und verdreckt Eure Atemwege. Besser ist es vielleicht, Ihr sortiert Eure liebgewonnenen Plastiktüten, damit Ihr damit in ein paar Jahren, wenn sie Kult geworden sind, auf eBay viel Geld verdienen könnt. Sicherlich wird der Besitz von Plastik oder plastikähnlichen Stoffen aber verboten und verteufelt. Dann könnt Ihr das mit den gesammelten Tüten vergessen und auch das mit der atmungsaktiven Jogging- und Sportkleidung. Dann heißt es wieder back to the atmungsaktive Baumwollunterwäsche mit kuscheligem Wollanteil und Fahrrad mit Holzrädern. Wo kommt die Baumwolle eigentlich her und wo wächst der viele nachwachsende Rohstoff Holz denn jetzt nach?
Ach was, wen interessierts.
Lasst uns doch noch ein bisschen die Industriekultur genießen, bevor es vorbei ist. Industrie 1.0 bis 4.0 und dann? Aber wozu 4.0 und schwarze Fabriken, wenn keiner mehr die Produkte möchte? Vielleicht gewinnt dann das althergebrachte Handwerk wieder mehr Gewicht und der Beruf des Handwerkers mehr Anerkennung? Holz und Stein anstelle von Chips und virtuelle Existenz. Keine Influencer mehr, naja, zumindest keine in der virtuellen Welt. Wie wäre das? Keine dreckigen Flugreisen mehr in den Süden, sondern so wie früher Wanderungen durch den Wald um die Ecke in die Kneipe um die Ecke. So schön, wenn jedes Dörfchen wieder neben seiner Kirche eine gemütliche Kneipe hätte mit genussvollen einheimischen Speisen aus Produkten der näheren Umgebung oder dem Garten hinter dem Haus und der Bauer nebenan füllt uns die Milch in unsere alte Laase, die Oma noch auf dem Dachboden vergessen hatte.
So romantisch,
da hat das Joggen oder das mit dem Hund rausgehen wieder ein tieferes Ziel. Da könnte man nebenbei das Milch holen gleich mit erledigen. Wir wären rundum optimiert und mit unserem umweltbewussten Gewissen im Reinen.
Also z.B., wenn ich von hier loslaufen würde wäre ich in 15 h in Leipzig und könnte mir bevor ich wieder zurückwandere die Ausstellung
„DER OPTIMIERTE MENSCH“
im Museum der bildenden Künste ansehen. Ich könnte nachdenken über die Welt und die „Momente der Industriekultur der bildenden Kunst.“1
Was ist denn jetzt Kunst?
Ist alles Kunst, was im Instagram hochgeladen wird? Sind wir jetzt alle Künstler? Oder ist man nur Künstler, wenn man Kunst studiert hat? Oder ist Kunst, was man an Häuserwände malt? Street Art vs. Graffiti oder so ähnlich? Wie ist denn jetzt der Begriff „Künstler“ definiert?
Hereinspaziert in eine moderne Ausstellung über moderne Kunstansichten und -beschwerden.
Der „Kaputtnik“ von Paule Hammer starrt uns an und erinnert mich an das, was immer bei unserem 3D Drucker herauskommt, wenn er denn mal druckt und die Düse nicht verkleistert ist.
Darf ich denn eigentlich noch meinen Pokémon-Spaßdruck machen, wenn Plastik nicht mehr IN ist? Also ich habe gehört, dass PLA zu einem gewissen Grade biologisch abbaubar ist. Wäre das ok oder sollte ich mir besser organisches Material besorgen?
Es gibt schon 3D Drucker, die organisches Gewebe drucken!
Lange dauert es nicht mehr und wir können den optimierten Menschen drucken. Dann müssen wir uns nicht mehr mit Joggen und dem Essen von Bluthochdrucktabletten abplagen. Dann lassen wir uns und unsere Ersatzteile einfach drucken oder uns aus unserem gezüchteten Genmaterial einfach wieder neu herstellen und erfreuen uns des schönen Genmaises unter unserer schönen warmen Sonne, zumindest da, wo das mit den Umweltschäden nicht so dumm gelaufen ist. „Kaputtnik“?
„Art looks much better on instagram“5
Tom Galle, Moises Sanabria und Alyssa Davis „verwandeln die Logos großer Unternehmen in Waffen“2 Wer regiert denn jetzt die Welt? Wovon sind wir abhängig – nee, schon lange nicht mehr vom Alkohol und den Zigaretten. Es gibt größere Abhängigkeiten, die viel interessanter zu modellieren sind. Mit denen viel mehr möglich ist. Bei denen man noch viel bessere Kampagnen starten und steuern kann, als die zum Umweltschutz mit Elektromobilität und Kohleverteufelung… „Wer sagt denn das?“3 Wer sagt denn überhaupt was? Wer steuert denn die Meinung heutzutage? Influencer? Politik? Medien? Industriekonzerne? Ihr und ich? Wir? Wissenschaftler? – nee, die nicht.
Beschäftigt Euch mal mit Jonas Lund und investiert in Jonas Lund Token. Vielleicht werdet Ihr und er reich… und wenn nicht, habt Ihr wenigstens die Jonas-Lund-Kunstszene gesteuert. Ein interessantes Experiment.
„Bitte lasst mich raus“
Überwachungskapitalismus – Überwachungskapitalismus – Überwachungskapitalismus – Andy Picci mit einer sehr schönen und nachdenklich machenden Installation zum „Einfluss der Digitalisierung auf die Gesellschaft. (…)
Digitales Verbundensein ist heute ein Mittel zu anderer Leute geschäftlichen Zielen. Im Grunde seines Wesens ist der Überwachungskapitalismus parasitär und selbstreferenziell. (…) Anstatt von Arbeit nährt der Überwachungskapitalismus sich von jeder Art menschlicher Erfahrung.6“* – lasst mich hier raus!!!!! Schreien auch meine Sinne, aber die Sucht der Faszination ist so unendlich groß, als dass ich das Universum der Selbstdarstellung verlassen möchte. Ich verkaufe meine Seele von menschlichen Erfahrungen für meine Selbstdarstellung in einer Welt von optimierten Selbstdarstellern, die sich eigentlich alle nur für sich selber interessieren.
UND prompt haben wir hier auch die Definition zum Künstler gefunden und zwar in Anlehnung an Brad Troemels Statement4 von 2013: „Wenn ein Posting auf Instagram keine Likes bekommt, ist es dann Kunst?“*
Also sollte man besser, so wie Constant Dullaart in Follower investieren, und die verteilen auf Protagonisten des Kunstbetriebes. So herrlich. In 2014 haben 2,5 Millionen Follower noch 5.000 Dollar gekostet.*
Bestimmt ist das jetzt auch günstiger geworden und bei CHIP kann man sich dazu weiterinformieren:
„Kann man Instagram-Follower kaufen?
Kurz gesagt: Ja, das geht. Wie auch auf Facebook und YouTube können Sie sich bei Instagram Follower kaufen. Es gibt mehrere Webseiten die sich auf diesen Service spezialisiert haben.
Der Kauf von Followern ist vollkommen legal. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass Ihr Account gesperrt oder gar gelöscht wird.
Viele dieser Webseiten bieten zudem verschiedene Arten von Followern an. Somit lässt sich zum Beispiel die Nationalität der falschen Follower eingrenzen oder der Zeitraum variieren. Das ist zum Beispiel sinnvoll, wenn niemand Ihrer Freunde den Kauf bemerken soll.“
Mehr Info dazu hier im CHIP Praxistest:
Lasst uns UNS optimieren. Koste der Optimierungsbetrug, was er wolle. Lifting und aufgespritzte Lippen im virtuellen Leben.
Ausstellungshallen vs. Instagram
Durch die Ausstellungshallen der optimierten Menschen zu schreiten wirft auch mir, genauso wie Florian Kuhlmann die Frage auf: Braucht Kunst noch ein Museum? Auch „Kunst, die auf Instagram gefeiert wird ist eine gute Ausstellung.“* Vor allem wird das Publikum größer. Mein 3D Schweinchen von oben z.B. hat Brenda Cholula aus Mexiko designed und es auf einer 3D Druck Plattform kostenfrei zur Verfügung gestellt, sodass ich es hier in Deutschland als Glücksbringer zum Jahreswechsel ausdrucken konnte, selbstverständlich nur in biologisch abbaubaren PLA und in blau, da ich grad kein rosa zur Verfügung hatte, und nicht schon wieder das umweltunfreundliche Amazon bemühen wollte.
Ich habe mir vorgenommen
in diesem Jahr nicht mehr so viel online zu bestellen, sondern mehr in der Gegend herumzufahren um mir die Dinge, die ich für meine Projekte benötige, zu besorgen. Kann mir jemand sagen, wo ich rosanes PLA Filament in Halle/ Saale und Umgebung herbekomme? Also bis Leipzig und Chemnitz würde ich auch noch fahren oder bis Erfurt. Da könnte ich sogar mit dem Zug fahren. Das wäre ja auch für die Umwelt besser. Hoffentlich muss ich nicht mit meiner Platzkarte wie Greta auf dem Gang sitzen.
Ich habe das 3D Schweinchen gerade auch auf Instagram hochgeladen und 3 Likes bekommen. Habe ich da jetzt aus ihrem Kunstwerk ein eigenes gemacht? Und was ist jetzt besser? Das Schweinchen auf Instagram anzugucken, oder das, was hier neben mir auf dem Tisch steht? Genau das fragt sich auch der amarikanische Künstler Brandon Lipchick. … und irgendwie gehe ich da mit: „Während immersive Kunst die Betrachter*innen in eine künstliche Welt eintauchen lassen will, entlasten etwa Gemälde davon, involviert zu sein.„*
Zeit zum Reflektieren
Zeit zum Widerspiegeln von sich selbst oder der Gedanken im eigenen Kopf oder die welche wir durchs Internet schicken.
„Sei glücklich in jeder Sekunde Deines Lebens.“*
„Ein fester Job ist ein Zeichen von Schwäche.“* – oing oing… hey, sogar Maeckes von den Orsons folgt Andy Kassier auf Instagram, aber er nicht ihm. Hm…. belanglose Reflektion meinerseits…
Kameras überall
Wir werden überwacht! Thomas Webb nutzt einen Spiegel dafür, der unsere Emotionen in Form von Emojis widergespiegelt anzeigt und Facebook unsere Handykamera – Überwachungskapitalismus – „Ein Unternehmen analysiert alle Fotos, Bildunterschriften und Reaktionen. Mein Datensatz ist nichts im Vergleich zu den enormen Datenmengen, die in sozialen Netzwerken über die Nutzer*innen und ihre Emotionen gesammelt werden.“7* Drum unbedingt anständige Bildunterschriften unter die Fotos setzen, damit Google sie auch den entsprechenden Gesichtern, Texten und Meinungen zuordnen kann. So ist der Deal: Willst Du, dass Google Deine Website findet, dann musst Du nach Google-Regeln spielen. Sonst verlierst Du Deine Identität im www. Dann bist Du weg, nicht mehr auffindbar, sozusagen tot für die virtuelle Welt. Nur, wer sich SEO-optimiert und den Deal eingeht wird gefunden. Na, wer hat hier nun die Macht?
Na, auch zu 22% überrascht? – Eine schöne Installation von Sebastian Schmieg (Decisive Mirror).
Das Jahr der Industriekultur 2020
Der Verein Industriekultur Leipzig e.V. zusammen mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig und mit Unterstützung der Stadt Leipzig sowie der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen zeigen uns eine künstlerische Zusammenfassung der Industriezeitalter.
Im Grunde fingen unsere ganzen (Umwelt)-probleme mit der Industrie 1.0 an. Sozusagen mit der Erfindung der Dampfmaschine, sagen wir mal der Einfachheit halber durch James Watt im Jahre 1769. Naja, sagen wir mal nicht, dass es vorher keine Menschheitsprobleme gab. Aber die reduzierten sich auf Krieg und Seuchen. Jetzt kommt das Industriezeitalter mit Fortschritt und Wohlstadt bis Industrie 3.0. Im Zeitalter von Industrie 4.0 scheint das ganze gerade am Kippen zu sein. Vielleicht sollte Industrie 4.0 uns mal langsam wieder aus unserer festgefahrenen dekadenten Bequemlichkeit herausschmeißen und uns animieren, unser Gehirn wieder zu gebrauchen, um die sinnvollen Innovationen, die um uns herum existieren, zu erkennen und zu nutzen und nicht jeder geliketen Lobby unbesehen hinterherzujagen und uns gegenseitig in unseren SocialMedia die Köpfe einzuschlagen, was denn nun mehr umweltschädlich ist und wie oft ich meine Plastiktüten benutzen sollte damit es meine Klimabilanz nicht in den Wahnsinn treibt.
Soviel Innovation ist um uns herum,
aber keiner will sie nutzen, da die festgefahrenen alten riesengroßen Dampfer zwar Agilität im Personalmanagement praktizieren, aber sonst im Dreck und Schlamm stecken bleiben und so langsam, aber unaufhaltsam versacken.
Der Kapitän steht zwar noch, wie Romeo und Julia, auf der Titanic oben auf dem Deck, aber schaut nur in seinen Sonnenhimmel und nicht nach unten in den Schlamm unter ihm.
Dummerweise macht er damit mit seinem schwerfälligen Dampfer die ganzen kleinen wendigen Schiffchen um ihn herum mit einem kurzen Schwenk platt und lässt sie niemals das schöne warme Licht der Sonne erblicken. Er hat einfach kein Interesse daran. Er lässt sie einfach, in den weiten Aktienhimmel schauend, still und unerwähnt untergehen.
Im Jahr 1920, in der Zeit der Weimarer Republik, gab es ebenso viel Innovation und Aufbruch. Das Alte wurde zerstört um das Neue wachsen zu lassen. Komplett neue Denkweisen entstanden, ja, ich weiß, böse auch in eine zerstörende Richtung.
Der Maschinenmensch von Elisabeth Voigt als Unternehmer entstand – faszinierend unheimlich.
Dann stehe ich nun vor den beiden Skulpturen „Ausgepresster Prolet“ von Fritz Nolde und „Leben ist Arbeit“ von Rudolf Küchler und überlege, wie ich mich gerade arbeitsmäßig fühle und wie das Arbeitsleben sich geändert hat. Hat es sich geändert? Es ist komplexer und schneller geworden. Die modernen Kommunikationsmittel beherrschen unser sein und erreichbar sein. Sein oder nicht sein, das ist immer die Frage. Im Dreck will keiner mehr sein, aber ein agiler Ping-Pong-Ball auch nicht. Die Arbeitskräfte gewinnen an Macht, da sie langsam verknappen. Verknappte „Produkte“ sind gefragt und teuer und können sich aussuchen wo sie für was gut bezahlt werden. Das ist ein Unterschied zur Zeit der Weimarer Republik.
Wir brauchen also Industrie 4.0,
schwarze Fabriken und künstliche Intelligenzen, damit wir die Verknappung kompensieren können. Zuwanderung hilft da nicht und die alten Dampfer, die immernoch nach alten Mustern schippern saufen früher oder später ab – gluck gluck gluck…
Wir brauchen die enthusiastischen Roboter Ava, Tom und Serena von Stefan Hurtig als Arbeitskräfte! Leute, die labern gibt es genug. Dafür brauchen wir nicht auch noch Bots. Wir brauchen die, die unten in der Wohlstandsevolutionskette stehen, die noch so richtig was tun mit ihren Händen. Also keine „Verrückten, keine Aussenseiter, keine Rebellen, keine Störenfriede, keine Unangepassten, keine, die Dinge anders sehen und keine Regeln mögen.“8 Die machen uns nur Ärger. Davon gibt es schon viel zu viele. Alle sind nur noch optimierte Individualisten mit Schnapsideen ohne Erfolg. Der optimierte Mensch, was ist das für einer? Entwickelt der eine umweltfreundliche 4.0 Industrie, die die Menschheit weiterbringt, und zwar alle Menschen, oder ist der auch nur wieder so ein zielstrebiger auf seinen Erfolg bedachter Egoist, der nur in das Horn tutet, was gerade die Menschheit medial bewegt? Was bedeutet „optimierter Mensch“? Physische oder psychische Optimierung? Optimierung im hübsch aussehen oder Optimierung in seiner Lebensweise und seinem Verhalten?
Irgendwie muss ich da jetzt gerade an Alligatoah mit „Du bist schön“ denken, der auch irgendwie in meinen Augen ein gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit Andy Kassier aufweisst – hm.
Sind das jetzt die optimierten Menschen, die schöne Selfies von sich machen oder sind das die auf den Fotos von Olaf Martens? Die alle gleich aussehen und ohne irgendwelchen Gesichtsausdruck als farbiger Schatten einfach an einem vorbeigleiten?
Wir sind alle eine Einheitsoptimierung von Individualisten
einer Gesellschaft, die sich hauptsächlich nur noch mit sich selbst beschäftigt mit einer gewissen Scheinheiligkeit der Außenwelt gegenüber. Mit „SPLIT MILK“ entstand aus Olaf Martens Dystopia ein beeindruckendes Video (Schnitt: Simon Raschke) unter dem Song „K.I.K.I“ des Rappers „HeXer (feat. DZA)“. Leider noch nicht auf YouTube zu finden. Nur die Musik hier für Euch:
Vielleicht gibt’s das ja nach der Ausstellung als offizielles Video zum Sound.
Was früher der „Jahrhundertschritt“ (Wolfgang Mattheuer) war ist jetzt der „Jahrtausendschritt“ welchen uns Claudia Hauptmann als Spiegelbild unserer Optimierung vor die Augen setzt. Das könnte auch ein schönes Selfie für Instagram sein. Vielleicht würde es auch Coverversionen bekommen, so wie in dem Experiment „Cluster“ von Viktoria Binschtok aus dem Jahre 2014 mit dem interessanten Statement dazu: „Visuelle Verlinkungen zwischen den Bildern führen von einem Thema zum nächsten. Die Kombinationen zeigen, wie Informationen heute aufgenommen werden: sprunghaft und themenübergreifend.“* Vielleicht kann man auch sagen „ganzheitlich“? Vielleicht war es bis jetzt der Fehler der Menschheit, alles nur separat zu betrachten, ohne sich nach rechts und links umzublicken. Wie reagiert denn etwas als Folge von dem, was ich gerade mache? Was passiert, wenn in Asien ein Schmetterling mit dem Flügel schlägt? Was hat es für Auswirkungen, wenn ich meine Plastikschweinchen auf Rügen vom Felsen zum Schwimmen ins Meer werfe? Vielleicht sollten man viel öfter sprunghaft und vor allem themenübergreifend denken und agieren? Wie ist die Klimabilanz eines e-Autos von seiner Entstehung bis zu seiner Verwertung und das mit allen seiner Bestandteile? Wie ist die Klimabilanz eines Öko-Veganers im Gegensatz zu einem Fleischfresser mit allen seinen Fahr- und Beschaffungsumwegen? Vielleicht sollte man nicht immer alles punktuell sehen, sondern ganzheitlich betrachten.
Natürlich können wir auch alles mit Farbe übertünchen und uns schönreden.
Influencerin als jüngste Milliardärin durch Verkauf von Makeup und einen verkaufsträchtigen Namen. Das ist erstaunlich. Anna Ehrenstein macht sich Gedanken über den Einfluss, den Kylie Jenner aus dem Kardashian-Clan auf die Instagram verbundene Gesellschaft hat. „Wie verändern sich die Werte? Wer hat Einfluss?“* und wie wäre das übertragbar auf Menschen, die sonst keine Chance auf irgendeine monetäre Darstellung hätten. Das Internet und Social Media bietet in gewissen Rahmen und Grenzen Steuerungsmöglichkeiten, die sonst niemals existiert hätten. Interessant ist auch, was die Gesellschaft daraus macht und wie sie diese Möglichkeiten zu ihrer Selbstoptimierung nutzt. Denn nur dann, wenn die Gesellschaft diese Bausteine zu ihrer Selbstoptimierung für sich nutzen kann, nur dann ist sie bereit, Herzchen und Likes zu verteilen, was sich dann evtl. monetär umwandeln lässt. „Schönheitsschlaf“9…
Tja, die Meinungen und Ansichten von Künstlern dazu könnt Ihr Euch anschauen und die nteressanten und inspirierenden Statements dazu durchlesen. Schaut Euch in Leipzig im „Museum der Bildenden Künste“ die Ausstellung „DER OPTIMIERTE MENSCH“ an und lasst Euch kunstvoll einen Jahresrückblickenden Spiegel vor die geliftete schöne Nase halten.
Eure Jana
1 – „Der optimierte Mensch – Momente der Industriekultur der bildenden Kunst“ im Museum der bildenden Künste in Leipzig (12.12.2019 bis 01.03.2020).
2 – aus der Beschreibung zum Kunstwerk
3 – Deichkind mit „Wer sagt denn das“
4 – Brad Troemel 2013: „Wenn ein Beitrag auf Tumblr keine Anmerkung erhält, ist es dann noch Kunst?“
5 – Florian Kuhlmann
6 – Shosana Zuboff (aus der Beschreibung zu Andy Piccis Kunstinstallation)
7 – Thomas Webb (aus der Beschreibung zu Thomas Webb Kunstinstallation)
8 – aus der Installation beigestelltem Text „Ava, Tom & Serena“ von Stefan Hurtig
9 – Alligatoah mit „Du bist schön“
* Teile aus den Beschreibungen zu den einzelnen Kunstwerken.
**Auszüge meines Textes sind auch im MuK-Blog der SRH Fernhochschule zu finden.