Auch wenn Rotpeter seinen Namen nicht mag und diesen eher der Dummheit derer, die ihm diesen Namen gaben, zuordnet, so mag ich ihn trotzdem. Auch, wenn ich mich dadurch wahrscheinlich als dumm und primitiv oute. Wahrscheinlich sind die Menschen das auch, so wie uns Urs Rechn mit seiner als Ein-Mann-Theaterstück umgebauten Kafka Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ gern den Spiegel vorhalten möchte (siehe letztes Bild im Stück). Weil, denn wir, und die vielen „anderen“ Pseudo?Intellektuellen im ziemlich vollen Saal der kleinen Bühne des Chemnitzer Theaters wissen ja nicht, was der alte Bursche Seneca dachte und nicht sagte…. Die angesprochenen Damen und Herren Pseudo?Intellektuellen (denn wer geht sonst schon zu solch einem Stück?) schauten schon etwas betreten und schämten sich allsamt (wie wir auch) für ihre furchtbare Unwissenheit und staunten über soviel Intellekt des Darstellers.
Natürlich hatten WIR das Stück gelesen und kramten verzweifelt in unseren Erinnerungen, was dieser Seneca wohl gedacht haben könnte und konnten uns überhaupt nicht erinnern, dass Seneca in dieser Kafkaschen Affengeschichte erwähnt wurde. Wir dachten eher, dass Kafka wohl überhaupt nicht so intellektuell gedacht hat, als er diese kleine Story aufgeschrieben hatte. Wir meinten, er hätte einfach dagesessen und sich überlegt, wie wäre das wohl, wenn Du ein Affe wärst und Dich der Hagenbecker Zoo aus deiner Heimat geraubt hätte und Dich mitgenommen hätte in eine für Dich andere Welt.
Wie jeder weiß hat Kafka öfter solche Anwandelungen, sich in Tiere hineinzuversetzen und wirklich detailgetreu zu beschreiben, wie diese sich so fühlten und was diese so dachten (siehe Käferstory). Ach ja, die Käferstory, da geht es andersherum, hier wird ein Mensch zum Tier. Beim Affen in diesem Stück wird ein Affe zum Mensch – sozusagen – eigentlich ein sehr schönes Thema für ein Theaterstück, aber meiner Meinung nach nicht sehr leicht umzusetzen, da 1.) Ein-Mann Stücke nicht sehr beliebt beim Publikum, 2.) Kafkas Akademiebericht nicht so ganz doll von der breiten Massen aufgenommen wird, auch wenn Kafka jetzt wieder im Kommen scheint und schon ein interessanter, da mysteriös – kurzes Leben, Mann ist und 3.) der Bericht schon sehr kurz ist für ein abendfüllendes Programm – Stellt sich also die Frage: Wie will man ein anspruchsvolles Publikum mit SOETWAS angemessene Zeit unterhalten???? Frage beantwortet, man bringt ein paar seiner eigenen Interpretationen unter und damit das Publikum etwas durcheinander – was, nicht das es so klingt, keine schlechte Idee ist. Denn dadurch fragt sich jetzt (manche immernoch) was Seneca so dachte und nicht sagte, obwohl die Frage im Stück ja schon beantwortet wurde. Nur erkennt man das nicht wirklich, wenn man nicht den Ausschnitt „Senecas Tod“ aus Heiner Müllers Buch „Ich hab zur Nacht gegessen mit Gespenstern.“ kennt. – Das ist schon eine unglaublich große Herausforderung für ein Publikum, auch wenn es sich Kafka anschaut.
Beachtenswert! Ja, beachtenswert, wie die Menschen sich so untereinander mit Weisheiten beeindrucken. Wir waren beeindruckt und so ging es immer weiter. Der Affe, der zum Menschen wurde, konnte sehr gut mit solchen Sachen umgehen, die keiner verstand, die aber als wichtig proklamiert wurden.
Unter anderem auch zu einer Session, manche Firmen praktizieren das ganz ähnlich und mit gleichem Enthusiasmus, die um Mitarbeit der anwesenden Probanten verlangte. Schaut nur Leute, wie unwissend ihr eigentlich seit. Es ist doch nun wirklich sehr einfach die Rätsel zu entschlüsseln, es gibt sogar Hilfen und selbst Affen können das – Wieder kramten wir in unseren Erinnerungen zu Kafkas Erzählung und siehe da, erkannten sogar Ähnlichkeiten – ja, der Schlüssel lag in der Erzählung, aber hier im Detail und darum mussten wir passen. Der Affe hat schon wieder gewonnen. Also was wollte der Interpret uns damit sagen? Kafka dachte ganz gewiss nicht so weit.
Bei ihm sind wir uns auch noch nicht mal sicher, ob die Geschichte schon beendet war. Es gibt noch dazupassende Rudimente, die darauf hindeuten könnten, dass aus dem Bericht auch ein Roman hätte werden können.
Herr Rotpeter ist schon eine interessante Person und ein Roman wäre schätzenswert, aber leider sind da nur noch Rudimente die sicherlich Herr Brod, auch wenn gegen Kafkas Wünschen, nach seinem Tode der Nachwelt erhalten hat und veröffentlichen ließ – also – alles ist offen, stürzen wir uns in phantastische Interpretationen – das ist intellektuell und es macht Spaß darüber zu philosophieren und hineinzudichten, was nicht ist, oder hineinzudichten, was doch ist – keine Ahnung, Kafka kann es uns nicht mehr sagen.
Herr Rechn versuchte es jedenfalls auf seine Weise – hätte gern mit ihm ein Interview, denn seine Weise ist schon sehr interessant. Da kommen Fragen auf. Es hatte den Anschein, als ob er um den Kafka Text völlig verrückte Sachen drumherum baute. Was heißt das jetzt? Vielleicht war es Spaß um den Abend zu füllen und er hat sich gar nichts dabei gedacht, vielleicht aber war es auch der Spiegel, den der Affe der Menschheit vorhält – hm – viele Menschen plappern dummes Zeug und alle staunen vor soviel Intellekt, den sie nicht interpretieren können, weil sie den Hintergrund der Schlagwörter nicht kennen – wenn sie diesen kennen würden und die Sache auseinander genommen hätten, also sich im Detail besser auskennen könnten, merken sie sehr schnell, dass sich hinter vielem nur heiße Luft verbirgt und so mancher als schlau eingestufter Manager das nicht drauf hat, was ihm angedichtet ist (siehe aktuelle Wirtschafts- Finanz- und Bankenkrise…). Alles ein großer Irrtum! Na, und was hat Seneca dazu gesagt? Sie wissen es nicht? Oh furchtbare Schande!! Das weiß doch nun jeder, vor allem, wenn er vorher im Internet nach „Seneca + Zitate“ gesucht hat.
„Niemand irrt für sich allein. Er verbreitet seinen Unsinn auch in seiner Umgebung.“ – ho –
Sinn oder Unsinn, egal, letztendlich stand der Affe über den Dingen und betrachtete die Menschen auf seine Weise nun doch etwas verachtlich. So Urs Rechn. Ob Kafka so dachte ist nicht bewiesen, nur hineininterpretiert und somit hinzugefügt in die Reihe vieler anderer Interpretationen zu dieser Erzählung.
Seine Erzählung suchte nur einen Ausweg für einen Affen, der meinte, wenn er sich den Menschen anpassen würde, ihnen gefallen würde, hätte er diesen gefunden – ja, hat er auch, kennen wir ja, Anpassung ist immer besser als gegen den Strom zu schwimmen. Keiner hat es gern, wenn man nicht seiner Meinung ist – ja, klar, ich weiß, sie lieben natürlich Menschen, die ihnen wiedersprechen. Das sagt jeder. – Achten sie mal drauf, wie sehr 😉
Also Kafkas Affe = Anpassung = Ausweg = gutes ruhiges Leben.
Urs Rechns Affe = Anpassung = Verachtung = Unzufriedenheit.
Verrücktes Gedankenwirrwarr – kann man sich leicht drin verrennen, darum wieder zurück zum Stück.
Ein Ein-Mann-Stück im dunklen, ungemütlichen Saal der kleinen Bühne, aber schon passend zur Atmosphäre.
Genau wie das Bühnenbild passte auch die Montur und das Verhalten des Schauspielers hervorragend zum Stück. Man könnte meinen, er hat die Affen im Zoo studiert. Sprunghafte Verhaltensänderungen, nachahmen von irgendwelchen Leuten (hätte an manchen Stellen fast Reich-Ranicki hineininterpretieren wollen) und passende affenartige Bewegungen. Eine schön erzählte Geschichte mit reichhaltigen Interpretationen, die zur Diskussion und zum Nachdenken anregten, aber nicht so leicht zu verstehen waren. Man sollte schon wach in das Stück hineingehen, aber man sollte es nicht verpassen. Es macht Spaß und ist nicht langweilig, so wie man gern denken möchte.
Man könnte Heiner Müllers „Senecas Tod“ auswendig lernen um den Schauspieler zu verblüffen, aber ich denke, es reicht, wenn man sich kurz vorher mal die Story von Kafka zu Gemüte führt – gibt’s im Internet beim Gutenberg Projekt und ist in 10 Minuten durchgelesen. Muss man aber nicht, man kann sich auch überraschen lassen. Die Geschichte ist trotz Drumherumbau nachvollziehbar. Aber schöner ist es schon, wenn man sie kennt, und weiß, was an Interpretation drumherumgebaut wurde.
Anmerkung:
Ich war nun das erste Mal im Chemnitzer Theater und es sollte eigentlich viel darüber zu erzählen geben, nur leider kann man das nirgendwo nachlesen. Die Geschichte ist sozusagen eliminiert wurden. Schade, denn viele bekannte Schauspieler und Regisseure gaben sich dort die Ehre – ich habe vergeblich gesucht, diese irgendwo in den Räumen des Theaters als Bild wiederzufinden.
Auch war das Theater sehr spartanisch eingerichtet und das Gebäude nicht besonders schön. Aber gut, ich denke, es passte in die Zeit, als es gebaut wurde. Aber wo ist auf der Theater Chemnitz Seite die Geschichte nachzulesen? Warum verbergen die Theater immer ihre Geschichte? Ich hätte erwartet, dass unter dem Menüpunkt „Das Haus“ ein geschichtlicher Abriss über das Haus zu lesen wäre.
Was ist die „jahrelange Tradition“? Wer waren die „namenhaften Regisseure und Schauspieler“? Wie alt ist das Gebäude überhaupt, wer hat’s entworfen? Aber vielleicht steht das ja auch irgendwo und ich habe es nur übersehen. Genau, wie ich die Seite des Theater-Cafés „Exil“ übersehen habe auf meiner Suche nach Restaurants in der Nähe. Schließlich will man ja als „nicht Chemnitzerin, von weit Angereiste“ vorher gern etwas essen um den knurrenden Magen zu besänftigen. Naja, das nächste Mal dann also im „Exil“ und nicht in den „Abtei-Stuben“. Die waren zwar ganz nett und die Bedienung hervorragend, aber kulinarisch für meinen Geschmack nicht so umwerfend. Hatte mir mehr davon versprochen, ….aber eigentlich schon gedacht, da aus Erfahrungen resultierend, so dicht bei einem Erlebnisbereich, wo so viele Touries vorbei kommen, die Küche nicht gut sein kann. Aber man lässt sich auch immer wieder vom Ambiente verleiten….
Mein erstes Stück im Theater Chemnitz hat mir gefallen, die Idee es ins Repertoire aufzunehmen ebenfalls, denn Kafka gibt es nicht so oft. Mein nächstes Stück dort wird „Macbeth“ sein, diesmal eins, wo ich mich sehr gut auskenne und wo ich eigentlich nicht wirklich verstehe, dass die Häuser wiedermal das selbe zeigen. Kein Wunder, dass keiner woanders hin pilgert – Macbeth kann man im Moment auch in Leipzig sehen. Sieht so aus, als wäre Macbeth das meistgespielte und beliebteste Stück der Theater. Außer vielleicht in Freiburg, die versuchen es mal mit „Der Sturm“ – sehr interessant, noch nie gesehen, aber leider ist Freiburg zu weit weg von meinem Stützpunkt. – Shakespeare ist schon ein unausschöpfliches Thema mit interessanten Möglichkeiten, also warum immer das selbe? Aber gut, ich schaue es mir trotzdem an und bin auf die Umsetzung gespannt. Die Umsetzung in Leipzig war schon etwas verrückt, mal sehen, wie es die Chemnitzer machen…
Eure Jana