“… ich mache Maschinen, die keinen Zweck erfüllen…
Lieben Sie die Ordnung? Ja, aber ich weiche ihr aus.”
(Jean Tinguely)
Das war also der Spruch, der neben der Skulptur stand, welche quasi das Aushängeschild dieser sehr interessanten Ausstellung Eisen- und Stahlplastik ist.
Wie jedes Mal habe ich mich sofort gut gefühlt, als ich die Ausstellungsräume in der Talstraße betrat. Man taucht in eine andere Welt und sieht schöne Sachen. Es ist nicht überladen, aber man entdeckt mit jedem Objekt etwas Neues, ja, einen neuen Raum.
Ich möchte vorwegnehmen, dass ich den Ausstellungskatalog bewusst noch nicht gekauft habe, um nicht auf vernünftige Gedanken zu kommen, es bestimmt aber noch tun werde.
Nun nochmal zu dem Zitat.
Dass ich der Ordnung ausweichen würde wurde mir auch schon öfter vor allem innerfamiliär nachgesagt. Insofern habe ich sogar was mit Herrn Tinguely gemeinsam.
Eine Maschine, die macht doch was, die steht nicht nur so rum. Als Ingenieur sollte mich sowas interessieren, schließlich steckt in der englischen Bezeichnung Engineer der Begriff Maschine schon mit drin. Und tatsächlich: Das markante Ausstellungsstück hat ja einen Motor. Und der ist auch noch angeschlossen, und das Ding, was da neben der Lüsterklemme hängt, sieht aus wie ein Kondensator. Der ermöglicht es bekanntlich, einen Drehstrommotor mit Lichtstrom zu betreiben, wenn nicht allzuviel Leistung abgefordert wird.
Ich sah mir nun den Mechanismus näher an.
Ja, da war eine Pleuelstange und die konnte dann diese Rute oder wie man das bezeichnen soll bewegen. Könnte sogar funktionieren, und muss ja auch, sonst hätte der Künstler nicht extra einen nicht ganz TÜV- gerechten Stromanschluss drangebaut. By the way, als ich mir hinterher das Plakat zur Ausstellung nochmal angesehen hab, kam ich zu dem Schluss, dass die Maschine sich während dem Foto bewegt haben muss, da einige Teile verschwommen sind.
Ehrlich gesagt, eine Maschine ohne Zweck ist für einen Ingenieur nur schwer zu verstehen.
Auf der Buchmesse in Leipzig hab ich mir kürzlich ein Buch über spektakuläre Maschinen gekauft. Weil mich spektakuläre Maschinen eben interessieren. Allerdings hieß der Titel weiter: “Eine Affektgeschichte der Technik”, was nicht mal auf dem Buchrücken stand. Das hab ich erstmal in meiner Euphorie gewissentlich übersehen. War ja auch kleiner gedruckt.
Tatsächlich wurden die eigentlichen Maschinen in dem Buch nur beiläufig erwähnt, wichtig war der Affekt, der durch die Maschine ausgelöst wurde. Ich hab gelernt, dass man darüber trefflich philosophieren kann. Maschinen können nützlich sein, die Menschheit erfreuen (wie sicherlich auch diese hier), benutzt werden, um Macht auszuüben, scheinbare Magie erzeugen und Maschinen können auch gebaut und vorgeführt werden, um damit anzugeben. Es gibt zum Beispiel Leute, die kaufen sich einen Jaguar um aufzufallen, und benutzen ihn dann kaum. Was für eine Verschwendung.
Maschinen mit einem Zweck erscheinen uns gerade schöner, umso besser sie ihren Zweck erfüllen, z.B. Rennautos, Motorräder oder auch Leiterplatten oder Autogetriebe. Ich frag mich oft, ob sie uns gefallen, weil uns ihre Leistung beeindruckt. Das würde voraussetzen, dass man diese Leistung zu würdigen weiss. Vielleicht gefallen uns dann auch Maschinen, die ihren Zweck, keinen Zweck zu haben, besonders gut erfüllen, besonders schön. Da ich als Ingenieur die Zwecklosigkeit der Maschine besonders gut verstehe, gefällt sie mir dann auch irgendwie besonders gut.
Mit den neuen Erfahrungen jetzt werde ich mir das Buch nochmal vornehmen.
Kommen wir nun zu Werken ohne Motor, wo kein Maschinist am Schaffen war und sehen, wo diese anfangen, sich zu bewegen.
An der Wand hängt ein Blechrahmen mit zwei Stöpseln. Kann einer sagen was er will, aber als Vorbild hat hier ein Spülbecken gedient. Dieser wurde eine Dimension fast gänzlich weggenommen bevor sie in einer vertikalen Position gut sichtbar an einer Wand platziert werden konnte.
Ich erklärte meiner Tochter, der eine Stöpsel wäre für das warme und der andere für das kalte Wasser. Da nach dem zweiten Hauptsatz der Wärmelehre (ich schlage jetzt nicht extra nach, das Risiko gehe ich ein) und auch nach dem Gesetz der Erhaltung der Energie Wasser sich nicht in warmes und kaltes separieren kann, fand ich das besonders lustig. Sie allerdings nicht. Dann überlegte ich mir, dass in unserer Produktionsanlage Wasser (oder so was ähnliches) je nach Temperatur mal in den Kühl- und mal in den Heizkreislauf zurückgeführt wird. Also würden die zwei Stöpsel für warm und kalt tatsächlich Sinn machen, wenn mal warmes und mal kaltes Wasser zu unterschiedlichen Zeiten in dem Becken wären. Da war meine Bemerkung gar nicht mehr zweckdienlich weil möglicherweise sinnvoll und demzufolge nicht lustig. Wahrscheinlich hat meine Tochter das selbe gedacht.
Ich finde es ja oft lustig, wenn man in Filmchen physikalische Gesetze bewusst außer Kraft setzt, gerade um auf die Absurdität dieser Tatsache hinzuweisen – siehe Käpt’n Blaubär. Wenn aber in der gleichen Sendung eine Maus einen Kaugummi aufbläst und die Blase benutzt, um über einen Graben zu fliegen, dann ist das einfach nur Verblödung der Kinder. Die wissen nämlich nicht, dass eine Luftblase nicht einfach so fliegt, es sei denn die Maus hätte einen sehr heißen Atem. Allerdings wissen sie, dass man keinen Stofffetzen aus dem Himmelszelt schneiden kann, wie es Käpt’n Blaubär getan hat. Obwohl der Wahrheitsgehalt dann doch durch amerikanische Astronauten bewiesen wurde.
Sieht man sich benannte Stöpsel allerdings genauer an, stellt man fest, dass beide aneinander hängen und einer an der langen Kette.
Erst dachte ich, ziemlich blöd für die Kalt- und Warmwassertheorie, da man ja leicht beide herauszieht. Günstiger wären da getrennte Ketten für beide Stöpsel. Wenn man allerdings für das heiße Wasser den Stöpsel direkt an der Kette nimmt, wobei der für das kalte dann an dem Stöpsel fürs heiße hängt, könnte es funktionieren , da man den kalten direkt rausziehen kann ohne sich zu verbrühen. Fürs warme Wasser könnte man vorsichtig an der Kette ziehen, ohne den zweiten Stöpsel mit rauszuziehen, naja, alles nicht sehr komfortabel.
Aber tut man dem Kunstwerk nicht Unrecht damit, es wieder als Spülbecken zu betrachten.
Die Künstlerin hat es ja nun gerade dahingehend verändert, dass es eben kein Spülbecken mehr ist, sondern etwas neues, eigenständiges. Aber erscheint der zweite Stöpsel nicht gerade grotesk, weil man es doch irgendwie immer noch als Spülbecken sieht? Jedenfalls kann der Sinn des Werkes das nicht alleine sein, da in unmittelbarer Nähe ein zweites etwas älteres Werk der selben Künstlerin mit nur einem Stöpsel hängt. Allerdings erinnert das jetzt eher an einen Briefkasten, was jetzt wiederum auch zu langen Ausschweifungen führen könnte.
Ein Stück weiter (nach meiner persönlichen Reihenfolge der Kenntnisnahme) geht es dann so richtig um Eisen und Stahl. Das ist etwas, was mich auch immer schon fasziniert, naja so sehr nun auch wieder nicht. Immerhin habe ich mal, kurz nachdem ich ausgelernt hatte, in der Elektrowerkstatt meines damaligen Betriebes herumliegende Eisenteile einfach ohne Sinn zusammengeschweißt. Ich dachte einfach, sieht doch irgendwie cool aus (weiß nicht mehr ob es das Wort cool in meinem Wortschatz schon gab).
Ich wusste damals nicht, dass es Künstler gab, die sowas professionell und natürlich besser machten. Ich hab das Ding dann an einem dünnen Draht aufgehängt, es wog allerdings ein paar Kilogramm. Meine Kollegen fanden es nicht mal ganz total blöd, bis mein Meister kam und es kritisch beäugte. Er fasste es an, und der Draht riss. Er hatte es in der Hand und es ist nichts passiert. So konnte ich mehrere Teile, die herumgelegen hatten, mit einem Mal in den Schrottcontainer werfen.
Was mich jetzt hier in der Ausstellung sehr faszinierte
waren schwere Stahlscheiben, mehrere Zentimeter dick, die aufgeschnitten und aufgebogen waren wie wenn ein Kind einen Papierkreis aufschneidet und faltet. Dabei waren keinerlei Spuren von einem Schneidbrenner oder anderer thermischer Behandlung zu sehen, alles sah aus, als wäre es total easy zu bewerkstelligen. Es war völlig sauber gearbeitet und mir ist nicht klar, wie man ohne Spezialmaschinen mit ungeheuren Kräften sowas bewerkstelligen kann. Vielleicht gab es ja Spezialmaschinen mit ungeheuren Kräften.
Gleich daneben hing an der Wand das absolute Gegenteil davon. Drei Papierblätter, wie ich glaube, in die ebenfalls Kreise und andere Figuren irgendwie eingefalzt waren. Das Ganze sehr filigran und zerbrechlich. Dabei waren die Hauptfiguren an einer Stelle geschnitten und im abgeschnittenen Teil verändert worden. Bei zwei von ihnen ließ sich die ursprüngliche Figur gedanklich wieder herstellen, indem man den abgeschnittenen Teil drehte oder sowas, bei einem ging das nicht. Das störte. War das beabsichtigt? Ich glaube schon.*
Ok, bevor ich jetzt weiter schreibe, hole ich mir dann doch lieber den Katalog.
*Nachdem ich den Katalog nun käuflich erworben habe, sehe ich, dass ich mich bezüglich der dritten Figur geirrt habe. Auch hier lassen sich die Teile aneinanderfügen, nur etwas tricky. Zu den Stahlscheiben habe ich jetzt ebenfalls eine andere Meinung.