Ein Stück mit künstlerischen Niveau und das, was dem Regisseur oder Spielleiter sehr wichtig war, hat er mit Bravour erreicht.
Meine Hochachtung Herr Sechert, Sie haben das Buch des Autors Thomas J. Hauck hervorragend umgesetzt.
„Die fünf weißen Tauben gurrten, als er hinaustrat, ins Freie, der Schnee knirschte unter seinen nackten Füßen,…“*
…und ich trat diesmal nicht hinaus in den Schnee, sondern hinein, in die Theaterwelt der „Hofnarren“ des Riebeckstifts, zur Premiere und Uraufführung eines Stückes zu oben genanntem Buch. Die Premiere fand in der Theatrale Halle statt.
Am Eingang wurde ich von einem überaus freundlichen, aber doch etwas merkwürdig gekleideten Mann eingelassen.
Ich folgte seiner ungeduldigen Aufforderung und später erst stellte sich heraus, dass es einer der Darsteller war. Er brachte mich mit leuchtenden Augen und voller Enthusiasmus zum Initiator und gedanklichen Urheber dieser Veranstaltung, Eberhard Friedrich, nach oben in den großen Theatersaal der Theatrale.
Ich war das erste Mal in der Theatrale in Halle und fand es ein gutes Podium für solch ein interessantes Stück. Im Theatersaal lernte ich dann den Regisseur Larsen Sechert kennen und bekam die Möglichkeit zu einem kurzen Interview über Stück, Akteure und Hintergrund, was ich Euch selbstverständlich nicht vorenthalten möchte: Interview mit Larsen Sechert zum Stück: „Das Gurren der fünf weißen Tauben“
Vielen Dank, Herr Sechert, für die Möglichkeit etwas mehr über Ihre Arbeit und die Hintergründe zu erfahren.
Wir gingen hinunter in die Kantine, oder besser vielleicht, in das Theaterrestaurant, und unterhielten uns auf angenehmer Weise über das Stück. Ich erfuhr einige Details, die mir aus Unkenntnis der Materie fremd waren, aber sehr interessant zu wissen. Eine halbe Stunde waren wir in ein spannendes Gespräch vertieft und erst als sich die Kantine langsam füllte, nahm ich meine Umgebung wieder wahr und gab den Regisseur für seine Verwandtschaft frei.
Allerlei interessante Menschen waren um uns herum.
Einige davon hatte ich schon öfters zu Vernissagen der Paul Riebeck Stiftung gesehen, aber eine Person fiel mir in seinem lässigen Outfit besonders auf. Kurz zuvor hatte ich das Buch „Das Gurren der fünf weißen Tauben“ gelesen und nun sollte ich schon den Autor kennen lernen. Larsen Sechert begrüßte seine Familie und ich nutze die Gelegenheit zu einem weiteren Interview, mit dem Autor des Buches.
Ein interessanter Mann saß mir gegenüber und ich hatte die Möglichkeit ihn über einige Passagen in seinem Buch zu befragen. Ich mochte das Buch vom ersten Augenblick an, schon wegen der vielen Schachtelsätzen, aus dem es bestand. Wie Ihr wisst, liebe ich Schachtelsätze und den Mut dazu machte mir diesen Autor sofort und vorerst in unbekannter Weise sympathisch. Das dann stattfindende halbstündige Gespräch änderte daran nichts. Ich habe es <hier> für Euch zum Nachlesen abgetippt.
Es war so interessant mit den beiden Herren zu sprechen, dass ich fast den Beginn des Stückes verpasste.
Ich schaffte nur noch ein kurzes „Vielen Dank für das Interview“ und beeilte mich über die Treppen hinauf in den Theatersaal zu gelangen. Gerade angekommen, ging das Spektakel im fast ausverkaufen Saal schon los.
Drei Stühle standen im Raum, ein Spot war auf sie gerichtet und genau dieser Anblick machte mich schon sehr zufrieden, mit der Wahl, mir dieses Stück anzusehen. Es war ein hervorragender Einstieg in das erste Bild…. im Hintergrund begannen die Tauben zu gurren. Drei Herren betraten den Saal und setzten sich schweigend auf die Stühle. Sie schienen ein wenig gebrechlich, aber sehr zufrieden. Vielleicht warteten sie, oder möglicherweise beobachteten sie etwas……..
– mitten in meinen Überlegungen was das zu bedeuten hatte, betrat ein Mann mit nackten Füßen und einer viel zu kurzen Hose das Geschehen.
Er blieb in der Mitte der Bühne stehen und blicke ruhig in die Reihen der Zuschauer. Die Tauben gurrten immer noch, in einer Art, die ein Mensch nur mit Mühe verstehen konnte – vielleicht, wenn er sich sehr anstrengen würde. Der Mann auf der Bühne schien es zu verstehen und brachte dies in meinen Augen brillant rüber.
Alles passte zusammen, die drei Herren im Hintergrund, wo einer teilnahmslos in einer Zeitschrift blätterte, und der ruhige, wissende Mann in der Mitte der Bühne (hier allerdings durch eine Frau dargestellt). Er schwieg, „schaute zu den fünf weißen Tauben, nickte ihnen strahlend zu, verbeugte sich leicht, wie eine Antwort von ihnen, breiteten sie ihre Schwanzfedern fächerförmig aus, gurrten, tippelten….“* Ich verlor mich in diesem Anblick und wurde durch fünf riesige weiße Tauben, die taubenähnlich und gurrend auf den Mann zukamen aus meinen Gedanken gerissen.
Die Akteure waren exzellent bei der Sache und die Kostüme passten hervorragend zum Stück.
Musik- und Texteinspielungen untermauerten das Geschehen. Die Zusammenstellung der Musik und der gesprochenen Texte passte brillant zur Handlung auf der Bühne und die Akteure hauchten der Handlung ein wunderbares Leben ein.
Der Hauptdarsteller auf der Bühne, schaute den Tauben hinterher, vielleicht ein wenig zu ernst. Thomas J. Haucks Buch unterstreicht im ersten Absatz mehr Fröhlichkeit.
Allerdings das immerwährende Suchen nach den Tauben am Himmel wurde hervorragend rübergebracht und der Weg durchs Dorf und durch die Landschaften anhand von Figuren, die im Hintergrund agierten, gut erklärt. Da waren eine Polizistin, die eigentlich für Ordnung und Sauberkeit sorgt und auch sehr über die Unordnung schimpft, aber selbst Kakaoflecke auf der Uniform hat, da war ein älterer Mann, der immer lächelte und sehr glücklich schien und da war ein Hosenverkäufer, der mit seinem Lautsprecher versuchte den Leuten zu erklären, wo es die billigsten Hosen gäbe. Aber keiner der Personen nahm, genau wie im Buch, Notiz vom dem Mann, der barfuss durch den Schnee ging, keiner fragte ihn, warum er das tat. Das war für mich hervorragend umgesetzt.
Die Geschichte geht weiter und die Tauben begleiteten seine Schritte.
Ihr Auftauchen wurde jeweils durch eine bestimmte Musik eingeleitet. Der Hosenverkäufer im Hintergrund pries weiter seine Hosen an und ich fand Larsen Sechert und sein Team haben das Geschehen sehr gut umgesetzt.
Larsen Secherts Intention, nicht nur einen pädagogischen, sondern auch einen künstlerischen Anspruch zufrieden zu stellen, ist vollendens geglückt. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle endlich erwähnen, daß es kein gewöhnliches Theaterteam war. Davon mal abgesehen, daß es Amateure waren, waren es zusätzlich noch geistig behinderte Menschen, die sich selbst „Die Hofnarren“ nennen und zu der Theatergruppe des Förderwohnheimes für Menschen mit geistiger Behinderung der Paul-Riebeck-Stiftung gehören.
In diesen gegebenen Grenzen, wie Herr Sechert im Interview sagte, war hier Theater mit hohem Niveau zu bewundern.
Ich erkannte jedes der gespielten Bilder im Buch wieder, nur die Sache mit den blau gekleideten Damen, die das Buch auf dem Kopf trugen, verstand ich nicht wirklich. Aber vielleicht war dies ja ein Tribut an den anwesenden Autor, der extra zur Premiere des Stückes nach Halle kam.
Die drei Männer auf der Bühne bekamen Gesellschaft. Der Autor spricht von Menschen, die den Hauptdarsteller beobachten und über ihn sprechen und das Theaterteam setzte dies in Form von kleinen Hintergrundgeschichten um. Was ich sehr gut gelungen fand, war die Beschreibung einer Dame im Rollstuhl, die uns voller Freude ihre Urlaubserlebnisse schilderte und die Polizistin, die immer noch bemüht war, Ordnung und Sauberkeit im Park zu erreichen.
Dummerweise machten ihr jetzt die fünf weißen Tauben einen Strich durch die Rechnung, was für allgemeinen Aufruhr sorgte.
Der Song dazu war grauenvoll, aber traf die Sache auf den Kopf, oder besser, die Scheiße auf die Hosen der Akteure, die darüber ziemlich entrüstet waren. Ich kramte in meiner Erinnerung zum Buch, wo die Tauben wohl geschissen haben und konnte in meiner Erinnerung nichts dazu finden. Was ich allerdings finden konnte war, daß der Mann seine Arme hob, „und kurze Zeit später flatterten seine fünf weißen Tauben zu ihm“*. Das taten sie auch in dieser Inszenierung. Sie waren immer in seiner Nähe und kümmerten sich rührend um ihn. Man bemerkte die Liebe, mit der die Tauben sich um ihn scharrten und ihn führten.
Was mir ebenfalls ein bisschen zu kurz kam, war das Dirigieren.
Schließlich ging es ja um „eine Symphonie für großes Orchester und Chor…“* und „schwarz gekleidete“ Musiker, die „vor ihm auf dem verschneiten Feld“* musizierten. Das fand ich, kam ein bisschen zu undeutlich rüber. Wobei das Bild in der Kirche wieder sehr gut umgesetzt wurde. Er spielte ehrfurchtsvoll die Orgel und ehrfurchtsvoll standen die Menschen um ihn herum, falteten ihre Hände zum Gebet und die Tauben schienen dem zu folgen.
Das ist auch eine der schönsten Passagen im Buch: „…. dann schlugen plötzlich und unvermittelt die Glocken, er zuckte zusammen, er hatte nicht im geringsten damit gerechnet, seine Tauben flogen flatternd auf, auch sie erstaunt und erschrocken über die Glocken, dann aber gewöhnte sich sein Ohr an den Klang, genoss das Schallen der Glocken, genoss das Nachhallen des tiefen Tones, …., er aber saß da, schaute, hörte und genoss es. Einfach so dazusitzen, zu schauen, zu genießen, zu hören. Wenn die Glocken, sagte er sich, wenn, dann würde er hineingehen, in die Kirche, aber erst, wenn die Glocken, man müsse jeden Ton zu Ende hören, das sei man Tönen schuldig…“*
… und ich genoss es diesem Stück zuzusehen, die Brillanz, mit der die Inszenierung das Buch umsetzte und die Brillanz, mit der die Akteure dieser Inszenierung folgten, die perfekt ausgesuchten und vorgelesenen Texteinspielungen und die auflockernde Musik, die auch mal zum Lachen aufforderte. Alles in allem und rundherum ein gelungenes Stück… „schien gänzlich zufrieden zu sein, mit sich und seinen fünf weißen Tauben.“*
Vielen Dank an das Team des Riebeckstift für einen wundervollen Abend und bis zum nächsten Mal.
Eure Jana
weitere Vorstellungen:
13.06.2007, 19:00 Uhr in Leipzig im Theatrium www.theatrium-leipzig.de
07.07.2007, 14:00 Uhr in Halle im Akazienhof zum Sommerfest www.paul-riebeck-stiftung.de
*“Das Gurren der fünf weißen Tauben“; Thomas J. Hauck; Mückenschwein Verlag, Stralsund 2006