Sprich mit mir – ich höre dir zu

Traumkörper – die Emphatie zum eigenen Körper

Ines Mayer/ Traumseminar/ März 2018

 

Persönlicher Einstieg

Thema unseres Traumseminars war das Selbst und ein sehr intensives, spannendes und extrem tiefgehendes Seminar.

Was mich betrifft, bin ich mal wieder, wie so oft, vorher und nachher in die Krankheit gegangen. Ein schmerzender großer rechter Zeh, der mich schon fast ein ganzes Jahr nervt und anschließend eine starke Erkältung. Meine liebe Freundin und Ärztin Agnes erklärte mir nach dem Seminar, dass mein Holzelement zusammengebrochen wäre und Galle und Leber die Blockade zeigen…Aggressionen?!

Um meinen Zeh kümmerten sich wärend des Seminars meine lieben „Traumfrauen“ ganz hingebungsvoll, was mir körperlich und seelisch unendlich gut tat, nachdem eine Hautärztin mich nach einem Besuch bei ihr, unbehandelt meinem Schicksal und meinen Schmerzen überlassen hatte, mit Vermutungen wie „könnte eine Warze unter dem Zehnagel sein oder schlimmeres sein…“ – WUT, Aggression über diese Art und Weise, wie mit mir umgegangen wird, ich fühlte mich materialisiert, ok, ja…ich weiß, ich projiziere!

Wie so oft während des Seminars träume ich sehr deutlich wie auch dieses Mal. Ich habe mich schon oft gefragt, warum ich immer genau dann so stark träume, wenn ich der Annahme sein darf, da ist die Gruppe, die mir helfen könnte, diesen Traum zu verstehen…eigentlich ganz klar, das Unterbewußtsein nimmt dies wahr und stellt sich darauf ein.

Mein Traum führte mich zu Bedrohungen und Verlustängsten aus meiner Kindheit und ich sah ein Traumbild, das meinen großen rechten Zeh, als wichtiges Element zeigte, um mich mit einer anderen Frau fast siamesisch umschlungen, immer wieder vom Boden abzustoßen um mit ihr gemeinsam in der Schwebe zu bleiben, um dann, bei plötzlicher Gefahr, uns aus der Gefahrenzone wegstoßen zu können. Ich fand es schon sehr erstaunlich, dass genau dieser, mein rechter großer schmerzender Zeh so deutlich im Traum auftauchte…es gab dazu auch eine gute Interpretation dieser Situation, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, mein Zeh will mir evtl. noch was sagen. Und da es ja nie Zufälle gibt, machte mich Sabine, unsere Seminarleiterin auf einige Bücher von Arnold Mindell aufmerksam, zu denen ich sofort eine Resonanz spürte.

Da ich ja eine Woche außer Gefecht war und mir somit Zeit geschenkt wurde, begann ich diese Bücher zu lesen und es faszinierte mich, was ich dort erfahren durfte…

 

„Der inneren Körperarbeit liegt die Idee zugrunde, daß alle unsere Erfahrungen bereits ihre eigenen Entwicklungen und ihre Lösungen in sich tragen. Das Material unserer Visionen, Stimmen und Körperschmerzen ist keine Illusion, sondern ein Eilzug zu uns selbst…Obwohl heute viele Menschen ohne Grund eine Psychotherapie beginnen, gibt es keinen Weg, der Tatsache des Schmerzes auszuweichen. Wachstum und Einsicht beginnen meistens mit Unzufriedenheit, Unglücklichsein und Schmerz. Schmerz allein reicht aber nicht aus, um die Menschen zu ändern. Da ist etwas anderes, ein seltsames, nicht vorhersagbares Element, das erforderlich ist, bevor die Menschen ihre Probleme bearbeiten und ihr Leben ändern können. Dieses Element ist eine Mischung aus Disziplin, Liebe und Erleuchtung…Disziplin – ein innerer Drang, der vorwärts treibt, verbunden mit Verwunderung und Liebe.(1)

Ich denke darüber nach und stelle fest, daß es bei mir genauso war und ist. Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung verbunden mit Bronchialasthma entfachten den Antrieb, etwas tun zu müssen, da ich das Gefühl hatte, daß mir niemand (Ärzte) wirklich helfen kann. Dieses „keine Luft mehr bekommen“ war so schlimm, daß ich nach anderen Wegen suchte. Auf dieser Suche bekam ich unglaublich viel Hilfe. Türen gingen plötzlich auf und ich begann neue Wege zu gehen. Meine Familie ging nicht mit mir, was mich damals sehr irritierte, aber es entfachte auch meinen Kampfgeist. Einen Kampf, den ich für mich kämpfte, anfangs eher unbewußt, indem ich angebotene Hilfe sachte annahm und mich gegen die Abwehr meiner Familie stellte. Meine Neugier war geweckt und ich fing an zu vertrauen. Ich wußte damals nicht was es war. Heute weiß ich, daß es etwas „Göttliches“ war, das mir eine Art Vertrauen gab und sich im Laufe meiner Entwicklung verstärkte. Ich fing damals an, mich mit Feng Shui zu beschäftigen. Eine Suche nach etwas, wie ich später erklärt bekam, von einem Mann, der mir von seinem Glauben in einer Art erzählte, die mich sehr berührte. Auch er war Teil meiner Entwicklung und hat mich sehr lange begleitet und unterstützt im Umgang mit Zweifel, Zorn, Wut und Liebe. Er hat mir die Liebe näher gebracht…die Liebe, um die es aus meiner innersten Überzeugung immer ging und geht – die Liebe zu mir selbst.

Als ich anfing, mich mit dem Thema „Traumkörper“ zu beschäftigen, bin ich auch auf ein Buch gestoßen von Dr. Rüdiger Dahlke – „Krankheit als Symbol“. Es gab mir einige Inspirationen, mich konkret mit Symptomen meiner Krankheitsbilder und denen von Familienmitgliedern auseinanderzusetzen. Allein durch das Lesen und auch Vorlesen, entstanden durch ein menschlich natürliches Interesse dafür, bewirkte kleine bis größere Veränderungen. Ich habe immer wieder festgestellt, alleine das Bewußtmachen von Problemen initiiert Handlungen, die der Heilung dienen.

Bei der Suche nach Symptomen bin ich dann auf das sogenannte „Nägelkauen“ gekommen und dachte mmmhhh, das ist auch ein Symptom für was und nicht nur Nervosität, wie ich es immer interpretiert hatte. Ich erinnerte mich, daß ich dieses Problem auch hatte, was ich natürlich nicht gern zugebe (Scham). Ich habe mich irgendwann für „gel-beschichtete“ Nägel entschieden, die die Nägel härter machen und es erschweren zu „kauen“. Seitdem hat sich das „Problem“ gemindert. Aber ab und zu erwische ich mich, daß ich es versuche. Ich habe gelesen, was es als Hintergrund auf sich hat und bekam eine so starke Resonanz und auch Trauergefühle. Hier ein Auszug:

„Die Aggressionswerkzeuge, Krallen und Zähne, brauchen eine gesunde Grundlage um ihrer Bestimmung gemäß, aggressiv werden zu können. Analog braucht ein Mensch Urvertrauen, um seine Aggression, seine Vitalität und Energie zum Ausdruck bringen zu können.
Wenn Kindern Selbstvertrauen und vor allem Vertrauen in die Eltern fehlt, trauen sie sich nicht, aggressiv zu sein. Was wie ausgesprochen brave Anhänglichkeit aussieht, ist oft Mangel an Zutrauen. Trauen sie sich dagegen einiges, was die Eltern gar nicht schätzen, bekunden sie damit Vertrauen, denn selbst wenn sie ihrer Aggression, bzw. Vitalität freien Lauf lassen, können sie auf die Eltern rechnen. Ständiges Am-Rockzipfel-der-Mama-Hängen, verrät dagegen Angst und mangelndes Vertrauen.
Wenn zum Konflikt im Nagelbett um die Basis der Aggression Fingernägelbeißen hinzukommt, ist die Situation noch klarer. Das Kind kann sich nicht trauen, sein Leben in Angriff zu nehmen und die Krallen zu zeigen. Die Lebensenergie findet nicht genügend Ventile, und so richtet es seine Aggression gegen sich und kastriert sich die Aggressionswerkzeuge. Statt froh zu sein, daß sich die Bissigkeit nicht gegen sie richtet, greifen die Eltern nicht selten zu Strafen. Bei dem Versuch, ihrem Kind die »Unart« auszutreiben, treiben sie das Aggressionsproblem tiefer in den Schatten. Es ist gerade die Ehrlichkeit des Symptoms, die Erzieher auf die sprichwörtliche Palme bringt. Jeder kann nun sehen, wie vitalitätsfeindlich das Kind lebt.
Manche Kinder gehen in solchen Situationen so weit, auch ihre Fußnägel abzunagen. Was könnte ihren Hunger auf Aggression deutlicher machen‘? Hält sich das Symptom bis in jugendliche oder sogar erwachsene Zeiten, zeigt das den weiterbestehenden Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten eigener Vitalität. Nicht selten legt es sich auch, um später in anderem Gewande, etwa in allergischer Form, wieder aufzutauchen.
Da die Nägel oft fast bis an die Basis abgeknabbert werden, liegen die Fingerspitzen ungeschützt da und Entzündungen nahe. Das typische Panaritium oder Nagelgeschwür betrifft aber an sich intakte Nägel, die plötzlich eine Tendenz entwickeln, einzuwachsen. Sie bohren sich ins eigene Fleisch und eröffnen so den Krieg. Die Situation ist meist nicht so chronisch wie beim Nägelbeißen, sondern entzündet sich an einem akuten Konflikt. Allerdings gibt es Menschen, die immer wieder auf diese Ebene der Auseinandersetzung um ihr Urvertrauen zurückgreifen.
Neben dem typischen Geschwür im Nagelbett gibt es andere Arten, die bis auf die Knochen gehen können. Wenn Knochenhaut, Knochen oder Sehnen betroffen sind, geht auch die zutage tretende seelische Problematik entsprechend tiefer. Die Angreifer im physischen Sinn sind zumeist eiterbildende Staphylokokken oder andere Bakterien im Rahmen einer sogenannten Mischinfektion. Während man sich von diesen Erregern entzünden läßt, bekommen die eigentlich erregenden Themen zu wenig Raum. Tatsächlich könnte ein Mensch, der mit sich selbst im Krieg liegt bzw. dessen Waffensysteme von innen und unten, sozusagen aus der eigenen Heimat, in Frage gestellt werden, sich kaum verteidigen, geschweige denn von sich aus offensiv werden. Schon das gewöhnliche Nagelbettgeschwür kann bis zur Loslösung des Nagels gehen und damit einen Verlust der Abwehrbereitschaft andeuten.
Die zeitweilig außer Gefecht gesetzten Krallen legen als Lernaufgabe nahe, die eigene Vitalität und Aggression wieder auf bewußtere Ebenen zu heben. Der Krieg um die körperlichen Waffensysteme sollte auf Ebenen geführt werden, wo Lösungen möglich sind. Die Waffen des Geistes bieten sich hier vor denen des Körpers an. Aber selbst bewußtes Krallen und Kratzen ist noch sinnvoller als das Kultivieren von Nagelgeschwüren.“ (2)

Hier war es: „….aber an sich intakte Nägel, die plötzlich eine Tendenz entwickeln, einzuwachsen. Sie bohren sich ins eigene Fleisch und eröffnen so den Krieg. Die Situation ist meist nicht so chronisch wie beim Nägelbeißen, sondern entzündet sich an einem akuten Konflikt.“ Diese Sätze lösten eine sehr starke Resonanz bei mir aus zudem ich heute von meiner Mutter hörte: „ Ich hab dich doch trotzdem lieb (3.10.2017). Hier schließt sich der Kreis zum letzten Seminar – Traum vom Zeh-Schmerzen durch eingewachsenen Nagel-eine Frage von Sabine, unserer Seminarleiterin und Freundin, die mich getroffen hat! Ich habe eine extrem starke Traurigkeit verspürt, als wir über den Traum gesprochen haben. Es rollten Tränen und ich sagte, daß es sehr schlimm ist, wenn meine Mutter mal stirbt, „…sie ist doch die Einzige, die mich bedingungslos liebt!“ und Sabine fragte mich, ob das nicht vielleicht nur eine Wunschvorstellung von mir ist? Poaaah…das war ein Schlag! Das kurze, extreme Gefühl lies aber ziemlich schnell nach, je mehr ich mich versucht habe, in diese Tatsache einzufühlen.

Und es passierte etwas nach dem Traumseminar, natürlich „rein zufällig“! Ein Mann, mit dem ich 10 Jahre  zuvor eine ca. 2- einhalbjährige Beziehung hatte, kam wieder in mein Leben. Meine Mutter reagierte mit größtem Unverständnis – natürlich alles in Sorge um mich und im Namen der Liebe zu mir. Und ich, was tat ich…ich fuhr meine Krallen aus (ebenso interessant, daß ich sie die letzten Monate eher spitzer habe). Ich tat, das was mir im Moment gut tat und teilte ihr (sehr vorsichtig) mit, daß sie damit rechnen müßte, auch mal nicht bei einer Feierlichkeit dabei sein zu können. Sie tat und sagte Einiges, was mich evtl. zum Nach- oder Umdenken bewegen sollte. Ich blieb aber ganz stark in meinem Gefühl zu diesem Mann, auch wenn es auch nicht ganz einfach in diesem Moment mit ihm war (alte Verletzungen auf beiden Seiten). Ich erklärte mich meiner Mutter nicht und versuchte auch nicht zu überzeugen. Ich distanzierte mich ein wenig, was ich üblicherweise nicht tue (schlechtes Gewissen). Nach ca. 4 Monaten und einer ersten Wiederbegnung mit diesem Mann erklärte mir meine Mutter, daß es doch mein Weg ist und ich glücklich sein muß und sie sich doch nur die Sorgen einer Mutter macht und …“ Ich hab dich doch trotzdem lieb“!

Das Urvertrauen, geliebt zu werden, auch wenn wir Dinge tun, die in den Augen derer, von denen wir geliebt und gesehen werden möchten, nicht richtig sind!

ABER sind wir eigentlich hier, um uns dem Zustand des Urvertrauens anzunähern, um zu heilen? Eine Frage, die ich mir gern immer wieder stelle und sie nicht beantworten kann.

Mein Gefühl sagt Ja und mein Verstand zeigt ziemlich viele Fragezeichen. Aber diese Frage möchte ich hier und jetzt auch nicht weiter analysieren, vielmehr möchte ich mich damit auseinandersetzen, was bedeutet Körperarbeit und wie kann ich Signale meines Körpers besser nutzen, um Informationen zu erhalten. Denn meine Neugier ist nicht weniger geworden, seit dem Tag an dem sie geweckt wurde. Sprich mit mir, ich möchte lernen, dich-mich besser zu verstehen.

 

Theorie Traumkörper

„Traumkörper“ ist die Beschreibung einer Körpererfahrung, die dann eintritt, wenn wir innere Bilder mit Körperempfindungen und Symtomen in Verbindung bringen.(1)

 (3)“Mindell hatte festgestellt, daß, wenn die therapeutische Arbeit eine gewisse Intensität erreicht hatte, die Klienten spontan ihre Träume erinnerten und sich für sie ein relevanter Zusammenhang zwischen beidem – dem momentanen Prozeß und dem Traum auftat. Er schloß daraus, daß Träume kein isoliertes psychisches Phänomen sind, sondern in einem übergeordneten Muster, dem Traumkörper-Prozeß mit dem Körper des Menschen verbunden sind. Der gleiche Prozeß, der nachts in unseren Träumen erscheint, geht tagsüber in unseren Körpern weiter.

Erkennen kann man ihn beispielsweise an flüchtigen, unscheinbaren, undeutlichen oder abge-brochenen Bewegungen, die mehr oder weniger unbewußt sind und nicht unserem Willen unter-liegen so als ob sie uns zustießen. Desweiteren kann sich der Traumkörper-Prozeß in Körper-symptomen wie Kopfschmerz, Magendruck, Hitze- oder Kälteempfindungen zeigen. Diese Sym-ptome machen wir nicht, sie geschehen uns, genau wie die Träume.(3)

Ist das evtl. auch so mit Erkrankungen? Stehen Träume und Krankheitsbilder in engem Zusammenhang? Kann ich durch die Analyse der Zusammenhänge mehr Informationen und Wissen erzielen, das mir helfen kann, eine Navigation zu erhalten?

(3) Für die praktische Arbeit ergeben sich daraus zwei Möglichkeiten: ich kann von den Träumen ausgehen, um sie mit dem Erleben des Körpers zu verbinden, oder ich gehe umgekehrt von der Körperwahrnehmung aus.

Das Wort Prozeß wird sehr allgemein verwendet und betont die Bewegung und den Fluß der Dinge. Statische Zustände sind aus dieser Sichtweise darin eingeschlossen. Sie hemmen zwar den Lauf der Dinge, was einerseits oft als störend empfunden wird (z.B. in Form von Krankheiten), andererseits aber auch sehr wichtig und nützlich sein kann, indem man sich bspw. zurückzieht und Erlebnisse verdaut. Letztlich gehören sie also zum Gesamtprozeß dazu und halten ihn nicht wirklich auf.

Diese Sichtweise steht in starkem Kontrast zu unserer westlichen Kultur, die (wissenschaftlich) alles klar definieren und festlegen möchte. Auch Menschen können so bestimmten Charakteren, Klassen oder Kulturen zugeordnet werden. Wenn ich glaube, ich oder jemand anders ist einfach so und so, ist es schwer, diesen Zustand zu überwinden.

Würde man in solchen Momenten den Menschen oder sich selbst genauer wahrnehmen, würde man jede Menge an Bewegung und Veränderung sogar von Minute zu Minute erkennen können. Prozesse würden dann immer noch mal schneller und mal langsamer ablaufen, es gäbe aber keinen (aussichtslosen) Stillstand. Diese Ansicht stimmt im übrigen mit der Sichtweise der modernen Physik überein, daß bis in den subatomaren Bereich hinein alles ständig in Bewegung ist, wobei die Bewegungen nicht völlig chaotisch verlaufen, sondern immer mit bestimmten Mustern verbunden sind.

Alles läuft im Zusammenhang größerer Prozesse, sogenannter Lebensmuster. Diese sind weniger flüssig und wandeln sich nicht so schnell wie der momentan ablaufende Prozeß, ihre Inhalte – die Lebensthemen – wiederholen sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit, so daß der Eindruck einer gewissen Konstanz oder Festigkeit entsteht. Sie sind einerseits individuell, andererseits sind sie in kollektive Prozesse (Zeitgeist) eingebunden.

Heilsame Störungen

Was sind Störungen überhaupt (aus der Sicht der jeweils wahrnehmenden Person) : Es sind Menschen und „Dinge“, die nicht „richtig“ – nach den eigenen Maßstäben – funktionieren oder nicht in mein Weltbild zu passen scheinen, vor denen ich Angst habe oder über die ich mich ärgere. Störungen können von außen kommen, z.B. in Form von lauten Kindern, uneinsichtigen Berufskollegen, streitsüchtigen Beziehungspartnern…oder von innen, in Form von Krankheiten, Körpersymptomen…

Zu unterscheiden ist die Störung selbst von meiner Reaktion auf die Störung. Der direkte Moment des Gestörtwerdens ist meist kurz und unmerklich. Bin ich gestört worden, ist meine erste (unbewußte) Reaktion meist die der Abwehr, ich will die Störung nicht wahrhaben, sie loswerden oder auf Abstand halten. Ich habe Angst, werde wütend, lethargisch, müde, lenke mich ab, wechsele das Thema..(3).

Und da ist die „Störung“ prompt in Form eines Schulterbruches bei meiner Mutter. Mein Zeh schmerzt zu dieser Zeit auch wieder leicht. Was kann ich hier als Information nutzen? Ich fühle mich gestört, gerade jetzt…Im Moment war meine Absicht, mehr Zeit mit meinem Partner zu verbringen. Ein Problem, das immer noch zwischen uns steht, mit Liebe und Verständnis zu berühren und zu sehen wie es sich entwickelt. Und dann das…Ich weiß, ich muß mich um meine Mutter kümmern, dabei empfinde ich aber nicht die Liebe, die man doch eigentlich fühlen sollte…wieder so ein Glaubenssatz??? Natürlich fahre ich hin und erledige was notwendig ist. Aber…ich reagiere oft genervt und etwas aggressiv auf manipulative Worte, wie „du mußt“, oder „das tut mir gut, wenn du anrufst…das tut mir gut, wenn du zu mir kommst…das war aber lieb von dir…“

(3)Eine Störung, wenn ich sie nicht wahrnehme, wird sich in der einen oder anderen Form immer wiederholen, bis es mir gelingt, sie wahrzunehmen und anzuerkennen und die darin enthaltene Information in mein Leben zu integrieren.

Eine Möglichkeit, bspw. mit Krankheiten oder Körpersymptomen zu arbeiten, besteht darin, die Symptome nicht wie im medizinischen Modell „wegzumachen“, sondern genau das Gegenteil zu tun, mich ihnen bewußt und aufmerksam zuzuwenden. Ich kann versuchen, sie sogar noch zu verstärken, indem ich z.B. einen Druck mit meiner Hand intensiviere oder mir vorstelle eine brennende Hautstelle wird noch heißer. In diesem Moment sollte ich sehr genau darauf achten, was alles in mir geschieht, wie mein Körper darauf reagiert, ob vielleicht Bilder, Gefühle oder Bewegungen entstehen, die es dann weiter zu verfolgen gilt, so daß der Prozeß entfaltet werden kann. Diese Methode nennt man Amplifizieren..

Unabhängig von diesem Beispiel geht es nicht vordergründig um Heilung, sondern ganz allgemein und neutral ausgedrückt um Wandlung. Vielleicht verschwinden durch Prozeß-Arbeit meine Krankheitssymptome und ich fühle mich geheilt. Vielleicht bleiben sie aber auch bestehen und trotzdem hat sich mein Leben verändert. Ich bin durch die Erfahrungen bereichert worden und bin wieder in den Fluß des Lebens eingetaucht und fühle mich lebendig, obwohl ich aus medizinischer Sichtweise noch eine Krankheit habe. Dies hieße, mich frei zu machen von irgendwelchen Definitionen wie krank, gesund, verrückt…und einfach mein Leben zu leben in dem Vertrauen, daß mein Prozeß mich schon richtig durch mein Leben führen wird.(3)

Das sagt sich so einfach…Schmerzen verstärken…Ich halte im Moment nichts davon. Wer möchte schon noch mehr Schmerzen, ich jedenfalls nicht. Im Gegenteil, ich bin in einer Phase, in der ich Schmerzen schlechter aushalten kann als früher. Aber vielleicht gibt es auch andere Wege, Krankheiten und Störungen als Information im Prozeß zu nutzen.

(3)Ideale im Hintergrund

Störungen und Krankheiten werden in unserer Kultur oft abgewertet und verdrängt, weil sie dem mitteleuropäischen Ideal von jungen, dynamischen, erfolgreichen, zufriedenen, nicht zu extremen und sich im Gleichgewicht befindlichen Menschen nicht entsprechen.

Bleibt noch die Frage, woher die Prozesse kommen. Mindells Antwort wäre wahrscheinlich: aus dem Unbekannten, Mysteriösen oder vom Tao.“(3)

Dào in westlich-philosophischen Begriffen[Wiki]

„Tao, auch Dào bezeichnet in der daoistischen chinesischen Philosophie ein ewiges Wirk- oder Schöpfungsprinzip, das für den Ursprung der Einheit und Dualität und damit für die Entstehung der Welt (Die „Zehntausend Dinge“) verantwortlich ist. Aus Dào entstehen die Polaritäten Yīn und Yáng und dadurch die Gegensätze, aus deren Zusammenspiel sich Wandel, Bewegung und gegenseitige Durchdringung und dadurch die Welt ergibt. Dào ist allumfassend und meint sowohl die dualistischen Bereiche der materiellen Welt als auch die transzendenten jenseits der Dualität. Das Dào ist also sowohl ein Prinzip der Immanenz als auch der Transzendenz. Es stellt den höchsten Seinszustand dar. In seiner transzendenten Funktion, als undifferenzierte Leere ist es die Mutter des Kosmos, als immanentes Prinzip das, was alles durchdringt“

(3)“Es (das Tao) ist immer da, sozusagen der Seinsgrund unserer Existenz, und will durch uns wahrgenommen und immer mehr entfaltet werden. Letztlich ist es kein anderes oder gegenüber, sondern wir sind es – auch wenn wir es nicht immer wahrnehmen können in jedem einzelnen Moment.

Prozeßstrukturen

Es gibt kein festumrissenes Ich, vielmehr gibt es lediglich die sich ständig verändernde Wahrnehmung von Signalen, die das Tao….uns schickt. Manche Signale nehmen wir häufiger und deutlicher wahr, diese sind mit unserem primären Prozeß verbunden, andere weniger häufig und deutlich, diese sind mit unserem sekundären Prozeß verbunden. Weiterhin ist der primäre Prozeß etwas, wozu wir „ja“ sagen, womit wir uns identifizieren (z.B. „ich bin arbeitsam, intelligent, dynamisch…“) und der sekundäre Prozeß etwas, was wir teilweise oder gar nicht bewußt wahrnehmen, oder als außerhalb von uns liegend (mein Freund ist dumm, faul…), oder als irgend eine Art von Störung, mit der wir uns gar nicht oder nur sehr schwer identifizieren.

Zwischen beiden Prozessen gibt es eine Grenze oder Grenzbereich. Die sogenannten Grenzfi-guren/wesen (oft „Kritiker“) „bewachen“ die Grenze und schützen und erhalten den primären Prozeß, und wollen keine Eindringlinge (das Sekundäre, Neue) hineinlassen. Und genau dieses Wechselspiel zwischen Primärem und Sekundärem (Bestehendem und Neuem oder Konservativem und Progressivem) macht die Dynamik von Wachstum aus.

Woher wissen wir, ob wir den primären, sekundären Prozeß oder eine Grenze wahrnehmen ? Diese, das Ganze wahrnehmende, Instanz nennt Mindell Metakommunikator. Im Unterschied zu einigen spirituellen Richtungen, die einen passiv beobachtenden, sogenannten „inneren Zeugen“ postulieren, ist der Metakommunikator eine Instanz, die nicht nur bewußt das Ganze und seine unterschiedlichen Teile wahrnehmen, sondern auch darüber mit anderen kommunizieren kann.

Allgemein möchte ich noch darauf hinweisen, daß ich alles, was ich wahrnehme, in einer gewissen Art und Weise auch bin. Ich bin das, was ich wahrnehme. Wenn ich dieses „ich“ oder diese Wahrnehmung, die dieses „ich“ zu einem gegebenen Zeitpunkt hat, weiter differenziere, kann ich diese Wahrnehmung in primäre und sekundäre Anteile und den Bereich der Grenze einteilen. Ich kann sogar noch weiter differenzieren, indem ich in mehr oder weniger primär oder mehr oder weniger sekundär einteile: So entsteht ein Wahrnehmungskontinuum, das bei primär beginnt, weniger primär wird, an einen Grenzbereich gelangt hinter dem das Sekundäre beginnt, was mit größerem Abstand immer undeutlicher und unklarer wird und mit dem ich mich immer weniger identifizieren mag und kann.

Das Flußbett oder „Kanäle“

Der Ort, wo die eben genannten Prozesse stattfinden, sind die sogenannten Kanäle, die eine enge Verbindung zu den Sinnesorganen aufweisen. Die wichtigsten Kanäle sind :

Der visuelle Kanal – das Sehen betreffend

(spezialisiert: Maltherapie und Traumdeutung).

Der auditive Kanal – das Hören betreffend

(spezialisiert: Musik- Stimm- u. Gesprächstherapie).

Der propriozeptive Kanal – das Spüren von Spannung/Entspannung, Wärme/Kälte, Druck und Hautempfindungen betreffend

(spezialisiert: Massagetherapien , Akupressur,…).

Der kinästhetische Kanal – die Bewegung betreffend

( spezialisiert: Tanz- u. Bewegungstherapie, teilweise Kampfsportarten, Bioenergetik…).

Prozesse können in einem einzelnen oder mehreren Kanälen gleichzeitig ablaufen oder auch schnell zwischen verschiedenen Kanälen hin- und her wechseln. So ist es möglich, in einem Gespräch (auditiver Kanal) eine Handbewegung (kinästhetischer Kanal) aufzugreifen, sich dieser zuzuwenden bis vielleicht der ganze Körper in Bewegung ist. Taucht dann eine Empfindung wie z.B. Magendruck (propriozeptiver Kanal) auf, könnte man mit der Bewegung aufhören und sich ganz dem Magendruck zuwenden. Hier entsteht vielleicht ein inneres Bild (visueller Kanal), das man auf ein Blatt Papier malt…

Ein grundlegendes Schema könnte wie folgt aussehen: a) die Signale wahrnehmen und erkennen b) sie aufgreifen und sich ihnen zuwenden c) das Signal erkunden (amplifizieren) durch Verstärken, Vertiefen, Variieren, um die darin enthaltene Information wahrzunehmen und/oder in den Fluß zu den nächsten Signalen zu kommen, (manchmal wird die Information eines Signals erst im weiteren Verlauf deutlich).

Botschaften/Informationen können aber nicht nur durch die eben genannten Grundkanäle fließen, sondern auch durch den sogenannten Beziehungskanal, der die eben genannten Grundkanäle mitbenutzt, sie aber in einen umfassenderen Zusammenhang stellt. Die Information kommt hier durch einzelne Menschen zu uns, indem wir ihnen auf die unterschiedlichste Art und Weise begegnen, sie sehen, hören…und vor allem: uns auf sie beziehen. Es ist nicht so entscheidend, ob ich die entsprechende Person kenne oder mit ihr in irgendeiner Weise freundschaftlich verbunden bin. Wichtig ist, daß die Begegnung mit einer gewissen Intensität des Erlebens verbunden ist: ich fühle mich betroffen, berührt, gestört…

Der Begriff „Beziehungskanal“ ist wertfrei zu verstehen, er beinhaltet weder eine Aussage über den Inhalt – ob die Beziehung/Begegnung z.B. angenehm oder unangenehm verläuft- noch, was im weiteren daraus entsteht.

Wird meine Wahrnehmung noch weiter und ich beziehe mich auf mehrere Menschen (eine Gruppe), viele Menschen (mein soziales Umfeld), noch mehr Menschen (mein Land) oder alle Menschen oder Ereignisse in der Welt, dann befinde ich mich im Weltkanal. Zur ganzen Welt gehören nicht nur alle Menschen, sondern alles, was wir in dieser Welt wahrnehmen können: Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine…Auch durch sie, kann das, was das Tao uns sagen will, zu uns gelangen.

Außerdem können wir uns durch die „Welt“ angesprochen oder aufgerufen fühlen, uns mit großen oder kleinen Problemen unserer Mitmenschen oder der Umwelt auseinanderzusetzen, uns sozial oder politisch zu engagieren.

Beziehungs- und Weltkanal sind Mischkanäle, d.h. im Beziehungskanal sind u.U. alle vier Grundkanäle und im Weltkanal u.U. alle vier Grundkanäle und der Beziehungskanal enthalten. Somit ist der Weltkanal der komplexeste Kanal von allen, da alle anderen in ihn eingebunden sind.

Um die Beziehung der Kanäle zueinander zu verdeutlichen gebe ich ein kurzes, konstruiertes Beispiel:

Nehmen wir an, in einem (sekundären) Prozeß geht es darum, lauter zu werden. Dies könnte sich wie folgt zeigen: Im auditiven Kanal rutschen mir immer wieder mal laute Worte heraus. Im propriozeptiven Kanal spüre ich einen Druck im Hals, der nach außen strebt. Im Beziehungskanal werde ich von meiner Freundin/Freund immer wieder laut „angemacht“ oder provoziert. Im Weltkanal begegne ich in Gruppen immer wieder Menschen, die sich sehr laut unterhalten oder schreien oder das Laute begegnet mir in lauten Ereignissen/Begegnungen mit Tieren, Dingen oder Maschinen.

Nun könnte man argumentieren, daß das, was mir begegnet, nämlich so viele laute Ereignisse, reiner Zufall sei. Nun ist aber unsere Wahrnehmung nicht zufällig, sondern selektiv. Bestimmte Erscheinungen können wir bewußt selektieren, indem wir uns z.B. in einem Stimmengewirr nur auf eine Stimme konzentrieren. Und genau so kann auch unser sekundärer Prozeß, Dinge, die wir wahrnehmen und andere, die wir nicht wahrnehmen, unbewußt für uns selektieren.

Hinzu kommt, daß wir das, was wir wahrnehmen, unterschiedlich intensiv wahrnehmen. Haben wir eine starke Reaktion, spricht man von positivem Feedback, haben wir eine schwache Reaktion, von negativem Feedback. Positives Feedback meint nicht einen spezifischen (positiven) Inhalt, es meint eine gewisse Stärke der Reaktion, und die kann sowohl etwas Angenehmes als auch etwas Unangenehmes beinhalten.  

Umsetzung

Stellt man Fragen über Ideen, Zusammenhänge, Gründe und Ziele (Warum? Weshalb? Wozu? Was?…), wird die entsprechende Person wahrscheinlich vom spontanen Erleben und Handeln ins Reflektieren (symbolisches Quasi-Handeln) und damit wahrscheinlich ebenfalls in ihren primären Prozeß kommen. Die Person wird aus der Sicht ihrer gewohnten, „normalen“ Identität über das Ungewohnte, Neue reden und dabei Gedanken über etwas entwickeln (anstatt es weiter auszuprobieren). Prozeß-Arbeit besteht aber hauptsächlich darin, das Ungewohnte, Neue aus sich heraus in dem entsprechenden Kanal entstehen und entfalten zu lassen (das Neue, Un-gewohnte zeigt selbst den Weg).

Ist ein Prozeß entfaltet, hat er seine ihm entsprechende Form und Gestaltung gefunden, so wird auch sein Sinn deutlich, weil seine Gestalt da ist. Er ist offensichtlich, und damit kann ich ihn auch verstehen. Diese Art des Verstehens ist ohne Anstrengung, mühelos, sie stellt sich fast automatisch ein. Das heißt nicht, daß der dazugehörige Prozeß nicht schwierig, schmerzhaft…sein kann, aber die Schwierigkeiten liegen im Erleben selbst, nicht im anstrengenden Nachdenken darüber.

Jeder Kanal hat dabei seine eigene Sprache und seine eigenen Aussagen, die man gleichermaßen wertschätzen sollte. Ein Prozeß kann sich zwar in unterschiedlichen Kanälen ausdrücken, aber dabei ist kein Kanal besser oder schlechter als der andere. Jeder Kanal hilft auf seine Weise, den entsprechenden Prozeß wahrzunehmen, zu verstehen und zu leben.

Dazu noch eine bildliche Beschreibung: wenn es eine Tür zum Unbewußten gäbe, würde ich durch diese Tür hindurchgehen, dadurch in einen mehr oder weniger stark veränderten Bewußtseinszustand kommen und mich solange in diesem Raum aufhalten, bis mein Thema sich entfaltet oder weiterentwickelt hat.

Wie kann man also den unbekannten Raum finden und mich darin zurechtfinden? Dieser Raum ist auf eine Art viel einfacher zu finden, als wir wahrscheinlich vermuten.

Deshalb einige Ideen, die das Erleben und Wahrnehmen in den Kanälen direkt ansprechen und unterstützen.

 

Amplifizieren

Visueller Kanal:

In unserer Kultur ist dieser Kanal tendenziell besetzt.

Frage nach Farbe, Form, Größe, was ist auffällig und was ist unauffällig, in welchem größeren Zusammenhang ist das Bild oder wie ist die Umgebung, ist es statisch oder gibt es Bewegung, versuch einen Film daraus zu machen. – Sieh mit der Person.

Auditiver Kanal (Worte, Musik, Klang oder den musikalischen Aspekt der Worte betreffend) :

Auch dieser Kanal ist in unserer Kultur meist besetzt, wobei der Schwerpunkt meist auf dem Inhalt der Worte liegt.

Wie ist Klangfülle, Klangfarbe, Lautstärke, Melodie, Tonhöhe, Geschwindigkeit, Rhythmus, Akzent, Versprecher, Sound (gibt es eine dazugehörige Figur wie z.B. „Mutter, Königin…“). – Oft ist es hilfreich, nur den Rhythmus oder die Melodie eines Satzes zu wiederholen oder die Person aufzufordern, nur Töne und Geräusche zu machen.

Propriozeptiver Kanal:

Ist in unserer Kultur meist weniger besetzt. Gewicht, Haut und Berührung. – Benütze dabei eine leise, innere und langsame Stimme.

Kinästhetischer Kanal:

Ist in unserer und den meisten anderen Kulturen, der am wenigsten besetzte Kanal.

Frage nach Geschwindigkeit, Krafteinsatz, Rhythmus, Richtung, Form. Fokussiere auf ein-zelne Körperteile oder laß die Bewegung sich auf den ganzen Körper ausbreiten– Oft ist es hilfreich, sich mit der Person mitzubewegen.

Sekundäre Prozesse finden und unterstützen

Sekundäre Prozesse zeigen sich, wie schon erwähnt, in Form von Störungen oder in dem, was einer Person geschieht, was ihr zustößt. Im Unterschied dazu ist der primäre Prozeß das, was eine Person will oder womit sie sich identifiziert. Aus der Sicht von Langzeitprozessen wird Sekundäres Material meistens in den für diese Person gewöhnlich unbesetzten Kanälen auftauchen. Wenn ich also die unbesetzten Kanäle einer Person kenne, kann mir das eine Hilfe sein, die sekundären Prozesse dieser Person deutlicher und schneller wahrzunehmen.

Es ist aber auch möglich, daß sekundäres Material in einem Kanal auftaucht, der normalerweise besetzt ist. Ist eine Person bspw. hauptsächlich visuell orientiert und betrachtet einen Baum, so könnte sekundäres Material dadurch auftauchen, daß sie in diesem Baum plötzlich ihren Vater „hineinsieht.

Um das Erleben in einem Kanal zu verstärken, kann es auch nützlich sein, die anderen Kanäle, so gut es geht, auszuschalten (z.B. die Augen zu schließen, um besser zu spüren).

Es geht um direktes Erleben. Es ist wie Jazzimprovisationen. Der Jazz lebt in erster Linie aus der Ungewißheit des Momentes heraus, aus der Atmosphäre, dem Zusammenspiel der Akteure. Im Nachhinein kann man zwar gewisse Strukturen erkennen und beschreiben, aber das ist nicht das Wesentliche. Ich kann noch so viele Strukturen oder Techniken beherrschen, wenn ich improvisiere, ist das bestenfalls mein Handwerkszeug. Das Entscheidende ist, daß ich mich öffne – meiner Spontanität, meiner Kreativität und dem Neuen. Und bis zu einem gewissen Grad sollte ich bereit sein, alles was ich bisher gelernt habe, zu vergessen. Und trotzdem muß ich dabei wach sein, so wach, daß ich jeden Moment möglichst voll und ganz erfasse. Und dies sollte innerlich gelöst und entspannt geschehen, sonst würde ich ein längeres Konzert kaum durchstehen und die Musik würde wahrscheinlich auch mehr oder weniger angespannt klingen. Der Reiz des Jazz besteht darin, daß niemand genau weiß, was im nächsten Moment passiert, alles ist möglich.”(3)

Mindell und auch Wetzorke beschreiben die Prozessarbeit aus der Sicht der Therapeuten. Was mich interessiert, ist, wie kann ich, die sich durch diese Themen berührt fühlt…vielleicht ist es Dao…wie kann ich es nutzen für mich, um der Wandlung noch bewußter folgen zu können? Ich betrachte dabei die Vergangenheit und versuche einzuschätzen und zu beaobachten. Ich erinnere mich, dass ich vor langer Zeit ein Training im beruflichen Zusammenhang machen durfte, dass meiner Entwicklung als Führungskraft dienen sollte. Dieses Training hat mich so sehr beeindruckt, dass ich auch als Coach für weitere Trainings von Kollegen berufen wurde. Dieses Training „Lead to Exceed – catalyzing your transformation“ ist ein firmeneigenes Training der Dow Chemical. Zu dieser Zeit war ich auch schon tiefer in die Traumarbeit eingestiegen. Was ich bei diesem strukturiereten Ansatz für mich klar rausarbeiten konnte, war meine Vision und wer ich sein möchte. Was es immer braucht, ist Zeit. Zeit sich mit den eigenen Gedanken, Wünschen, Hoffnungen, aber auch mit der Vergangenheit und dem Jetzt zu beschäftigen. Welche Werte sind mir wichtig, was erwarte ich von anderen und wie möchte ich sein.

Für mich wurde dabei klar, daß ich Strukturen und Zeit für Lösungsansätze brauche und das ich ein lösungsorientierter Mensch mit ziemlich viel Ungeduld bin. Einfach Dinge geschehen zu lassen, ist schwierig. Aber nach all den Jahren der intensiven Bschäftigung mit den verschiedensten Themen im Rahmen von Veränderung, Transformation und Entwicklung ist mir klar geworden, daß es immer die Kombination ist, die zum Ganzen führt. Und dabei spielen die sekundären Prozesse die gleiche wichtige Rolle wie die Primären.

Da ich aber für alles Struktur brauche, habe ich mal versucht eine Übersicht zu erstellen, die mir helfen könnte, die Geschehnisse so zu ordnen, dass ich daraus Lösungsansätze für mich entwickeln kann:

 

Interessant ist, als ich aktiv die Lösung entwickeln wollte und das Gefühl hatte, ich bin fast fertig, schrieb meine Tochter, dass sie sich heute um meine Mutter kümmern…wow „Loslassen-Hilfe-Ich muß nicht alles selbst machen“! Der Prozeß fließt und es fühlt sich befreiend an und ich fühle Liebe! Aber…körperlich fühle ich Kälte…mir ist kalt. Auf das Körpergefühl konzentriert gehe ich auf einen anderen Kanal…da läuft Musik im Radio…Egal was kommt, es wird gut sowieso…egal es wird gut sowieso…mir wird noch kälter…ich mach die Musik aus. Ich schließe die Augen, mir wird noch kälter, ein Gedanke…Liebe…und plötzlich ein Anruf einer Kollegin und sie regt sich darüber auf, daß sie jemanden helfen wollte und derjenige alles anders macht, als sie das gemacht hätte…Ha…ich antworte lass los…du kannst solche Menschen nicht ändern und davon ausgehen, daß sie es auch so machen sollten wie du…auch wenn dann bei diesen Menschen was schief läuft, sind WIR nicht verantwortlich…Ha…es findet sich ein Weg…jeder geht seinen Weg…ich kann meine Werte und Handlungsvorstellungen nicht anderen aufdrücken und sie nicht ihre mir. LOSLASSEN! ARME ÖFFNEN!DAS LEBEN UMARMEN! LIEBE SPÜREN!…Interessant jetzt ist mir wieder wärmer. Nur noch meine Beine sind kühl…ein Gedanke…steh zu dir selbst…nimm dich an…liebe dich selbst…ich stehe zu mir…ich nehme mich…ich liebe mich…

 

Literaturverzeichnis

(1)  Arnold Mindell, Traumkörper und Meditation, 1992

(2)  Lise Bourbeau, Der Körper sagt „Liebe dich!“, 2011

(3)  ©Thomas Wetzorke, Göttingen 2007