Ecke 10 – Das Kapital des Herrn Marx

Karl Marx (c) Kulturspalte

Als ich neulich um die Ecke vom Bücherschrank schlich, wäre mir doch beinah ein Buch auf den Kopf gefallen. Wir Katzen sind natürlich reaktionsschnell und immer auf den ungenügenden Ordnungssinn gewisser Menschen gefasst. Das Buch, was da runterkrachte, nannte sich “Das Kapital” von einem gewissen Karl Marx. Was war denn da so zu lesen? Es ging um Waren, nein nicht um Katzenfutter, was allerdings auch eine Ware ist. Die Ware hat oder ist also ein Gebrauchswert und hat auch einen Tauschwert, der dem Wert entspricht. Zwei verschiedene Waren haben einen unterschiedlichen Gebrauchswert, können aber über einen Tauschfaktor miteinander ausgetauscht werden, also ein bestimmtes Quantum einer Ware hat denselben Wert wie die völlig andere Ware. Man ahnt schon, hier soll es später mal um das Geld gehen.

Auf Seite 52 steht da zu lesen: “Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist. Wie nun die Größe seines Wertes messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen “wertbildenden Substanz”, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich in ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Maßstab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag usw.”

Ich würde das mal so formulieren: Der Wert des Gebrauchswertes entspricht der hineingesteckten Arbeitszeit. Also umgekehrt: höherer Wert = höherer Gebrauchswert, oder?

Dass der Wert der Ware dem hineingesteckten Arbeitsquantum entspricht wird dann noch viele viele Male wiederholt. Nun kann es passieren, dass für dasselbe Produkt nur noch die halbe Arbeitszeit gebraucht wird. Lesen wir dazu auf Seite 59: ”Nimm aber an, die zur Produktion eines Rocks notwendige Arbeit steige auf das Doppelte oder falle um die Hälfte. Im ersten Fall hat ein Rock so viel Wert, als vorher zwei Röcke, im letztren Fall haben zwei Röcke nur so viel Wert als vorher einer, obgleich in beiden Fällen ein Rock nach wie vor dieselben Dienste leistet und die in ihm enthaltne Arbeit nach wie vor von derselben Güte bleibt. Aber das in seiner Produktion verausgabte Arbeitsquantum hat sich verändert. Ein größres Quantum Gebrauchswert bildet an und für sich größren stofflichen Reichtum, zwei Röcke mehr als einer. Mit zwei Röcken kann man zwei Menschen kleiden, mit einem Rock nur einen Menschen usw. Dennoch kann der steigenden Masse des stofflichen Reichtums ein gleichzeitiger Fall seiner Wertgröße entsprechen.”

Sprich, wenn zwei Packungen Katzenfutter in derselben Zeit hergestellt werden (hier also “größres Quantum Gebrauchswert”) wie früher nur eine in derselben Qualität ist sie jetzt nur noch die Hälfte wert. Ich werde allerdings immer noch von einer satt. Aber was ist dann mit der Formel “höherer Wert = höherer Gebrauchswert? *) ”. Nach den ersten paar Seiten (die Vorworte gehen bis Seite 48) bereits der totale Widerspruch.

Man stelle sich nur vor, das wären Grundlagen für irgendeine wichtige Sache. Nicht auszudenken. Ob diesen Schinken schon mal jemand gelesen hat?

*) Der Gebrauchswert einer Ware ergibt sich bei Marx aus der konkreten Arbeit, die für jede unterschiedliche Ware qualitativ anders ist. Logischerweise ist dann auch der Gebrauchswert für jede unterschiedliche Ware anders, während der Wert oder Tauschwert aus der abstrakten Arbeit entsteht, wo nur das Quantum der Arbeit und nicht ihre Unterschiedlichkeit betrachtet wird. Dadurch wird die Ware austauschbar.

Als Beispiel hier hat ein Rock den gleichen Wert wie 20 Ellen Leinwand, zwei völlig verschiedene Waren. Um den Wert der Leinwand zu quantifizieren wird der Rock als Äquivalent benutzt. Zitat Seite 65: “Im Wertverhältnis, worin der Rock das Äquivalent der Leinwand bildet, gilt also die Rockform als Wertform. Der Wert der Ware Leinwand wird daher ausgedrückt im Körper der Ware Rock, der Wert einer Ware im Gebrauchswert der anderen.” Zitat Seite 69: “Die erste Eigentümlichkeit, die bei Betrachtung der Äquivalentform auffällt, ist diese: Gebrauchswert wird zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts.” Das stützt die von mir aus Marx’s Text gebildete Formel “höherer Wert = höherer Gebrauchswert”, da ja Ware und Äquivalent denselben Wert haben. Dass dann eine höhere Arbeitsproduktivität ein “größres Quantum Gebrauchswert” in derselben Arbeitszeit erzeugt und der Wert der Ware aber sinkt, da pro Ware weniger Zeit verwendet wird, steht dazu in völligem Widerspruch. Es steht nirgendwo, dass sich die Relation Wert zu Gebrauchswert abhängig von der Arbeitsproduktivität ändert.

*Karl Marx „Das Kapital“; Ungekürzte Ausgabe nach der zweiten Auflage von 1872, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin: Gustav Kiepenheuer Verlag 1932. Anaconda Verlag GmbH, Köln (2009); ISBN 978-3-86647-325-6